Sutil in der Sackgasse

MELBOURNE - Der Gräfelfinger Adrian Sutil hatte beim Auftaktrennen der Formel 1 in Australien, seinem ersten Wettkampfauftritt für Force India, Pech und schied aus. Hinzu kommt dass sein Teamchef Vijay Mallya seinen Kollegen Giancarlo Fisichella für den Stärkeren hält.
Adrian Sutil hielt sich aufrecht, sein Blick war unbeirrbar, die Aktentasche fest umklammert: „Ich glaube an mich, ich werde mich steigern“, sagte der Gräfelfinger, als er nach verkorkstem Wochenende in Melbourne mit seinem Vater Jorge das Fahrerlager verließ.
Seit Wochen schon muss sich der Newcomer, der seine zweite Formel-1-Saison fährt, Lobeshymnen auf seinen neuen Teamkollegen anhören. Der Italiener Giancarlo Fisichella sei stärker, schneller und werde das Team ans Mittelfeld heranführen, so der Tenor im Force India Team, dem Spyker-Nachfolger. Dort war Sutil letztes Jahr noch unumstritten. Trotz einiger schwachen Phasen Mitte der Saison wurde Sutil sogar zu Sondierungsgesprächen mit McLaren-Mercedes eingeladen für die Nachfolge von Fernando Alonso. Sutil blieb beim Hinterbänkler-Team. Und da weht ihm jetzt heftiger Gegenwind entgegen. In Australien drehte er sich am Freitag, am Samstag baute er dann einen Crash, bei dem sogar seinMonocoque beschädigt wurde. Noch dazu war Fisichella viel schneller unterwegs als der 25-Jährige. „Klar, dass ich schneller bin als Adrian, ich habe doch viel mehr Erfahrung", sagt Fisichella. Die nutzte er in Melbourne, indem er ohne Rücksicht auf Verluste über die Randsteine ratterte.
Sutil hingegen umkurvte die Hindernisse aus purer Gewohnheit. Letztes Jahr war er wegen der Zerbrechlichkeit seiner Aufhängungen dazu angewiesen worden. Nun fuhr er immer noch so – und verlor in langsamen Kurven rund 25 Stundenkilometer auf den Teampartner. Das Schlimmste daran: Offenbar hielt es in seinem Team niemand für nötig, Sutil auf das Problem hinzuweisen. Erst nach der Qualifikation kam er beim Studium der Telemetriedaten alleine dahinter. „Das“, sagt Sutils Manager Manfred Zimmermann, „hat Adrian mehr geärgert als sein langsames Tempo.“ Verständlich, aber der Vorgang wirft die Frage nach der Qualität der Force-India-Ingenieure auf. Denn einen solchen Tempounterschied wie zwischen Sutil und Fisichella kann ein Laie mit bloßem Auge am TV ausmachen. Die Computerdaten mit Tempooder Gaspedalstellungen der beiden Fahrer übereinanderzulegen hätte die Ursache innerhalb von zwei Minuten ans Licht befördert. Hilft ihm also niemand im Team? Oder will Force-India Sutil gar los werden als Stammfahrer? Zumal Teamboss Vijay Mallya schon vor Saisonstart indirekt mit einem Fahrerwechsel gedroht hat „Ich weiß, dass Vitantonio Liuzzi (der Testfahrer, die Red.) dieses Cockpit will, und ich weiss, wie heiss er ist. Er wird auf jeden Fall um dieses Cockpit kämpfen“, sagte der indische Milliardär.
Und auch Ex-Weltmeister Niki Lauda unkte schon, dass Sutil es schwer haben würde in dieser Saison bei seinem Team. Und wie reagiert Sutil ? „Adrian wird jetzt ein paarWochen den Kopf zwischen die Schultern nehmen, ruhig bleiben, konzentriert und hart arbeiten“, sagt Manager Zimmermann. „Er muss Fisico einfach schlagen. Ich bin davon überzeugt, dass er das kann." Sonst könnte es ganz schnell vorbei sein mit der Münchner Formel-1-Hoffnung.
Peter Hessele