Superstar Djokovic: Die Nummer 1 kollabiert

Branchenprimus Djokovic bricht beim Davis-Cup-Halbfinale verletzt zusammen. Der Fall heizt die Debatte über die zu massive Belastung der Stars an
Jörg Allmeroth |
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Belgrad - Auf dem harten Boden der Belgrad Arena lag der neue Supermann des Welttennis da, als habe ihn gerade der K.o.-Schlag eines mächtigen Gegners niedergestreckt. Schwer pumpte Novak Djokovic, und noch während sich sein Gesicht vor Schmerz verzerrte, schossen der am Rücken verletzten Nummer 1 der Weltrangliste die Tränen in die Augen. Später, als er von Mannschaftskameraden des serbischen Teams, von Trainern und Schiedsrichter Enric Molina zum Pausenstuhl geführt wurde, sah er aus der Distanz wie ein gramgebeugter alter Mann aus, der Notfallversorgung braucht.


Was sich da beim Spielstand von 6:7 und 0:3 aus Djokovics Sicht im Davis-Cup-Einzel gegen den argentinischen Riesen Juan Martin del Potro abspielte, ein Verletzungs- und Aufgabedrama im Halbfinale vor den Augen der Welt, konnte in der Tourszene niemanden wirklich überraschen. Djokovics Scheitern vor dem Matchball, vor einer erwartungsfrohen Heimkulisse von 18000 Zuschauern, illustrierte nur das unbarmherzige Anforderungsprofil, dem sich die Besten der Branche heutzutage ausgesetzt sehen. Ein völlig überfrachteter, unstrukturierter, mitunter einfach wahnsinniger Terminkalender macht die Topleute des Wanderzirkus, aber auch das große Feld der Profis mürbe. „Wenn du alle Turniere, die du spielen sollst, voll durchspielst, dann gehst du einfach kaputt”, sagt Ex-Wimbledonsieger Pat Cash.


Djokovic, der Mann der Stunde, stand so in unvermeidlicher Symbolik für die Misere da: Ausgerechnet den Dauersieger der Saison fraß nun auch der Turnier- und Davis-Cup-Stress endgültig auf, nach seiner akuten Rückenverletzung war vorerst unklar, wann und ob der 24-jährige Serbe in der laufenden Spielserie noch einmal zurückkehrt. Noch vor knapp einer Woche der strahlende Titel-Held bei den US Open, erlebte der Djoker nun ein Desaster. Sein Körper, herausgefordert in weit über 60 härtesten Wettkampfmatches seit Januar, machte nicht mehr mit. „In New York habe ich mich mit den Schmerzen noch zum Sieg gerettet, nun geht gar nichts mehr", klagte Djokovic.


Der bittere Abgang des Weltranglisten-Ersten befeuerte nur die Fraktion derer, die einen vernünftig koordinierten Terminplan im Welttennis, aber auch eine engere Kooperation der verschiedenen Machtzentren fordern – hier die Turnierserien ATP (Männer) und WTA (Frauen), dort die Grand Slam-Turniere und der Weltverband ITF (verantwortlich für den Davis Cup). Klar ist: Soll sich die Lage verbessern, müssen alle Beteiligten Verzicht üben – auch die Profis, die generell weniger Turniere spielen müssen.


In einen verschlankten Terminkalender würden dann auch die Davis-Cup-Termine passen. Doch die Spielserie muss auch in ihrer Dramaturgie mehr Sinn machen, immer wieder lenken Fachbeobachter den Blick auf die Formel1 des Impressarios Bernie Ecclestone – der Autokrat hat bisher immer das Geschick besessen, die Höhepunkte seiner Rennserie gezielt zu setzen. Doch wer Ecclestone als Referenz benennt, hat auch gleich das Dilemma des Tennis vor Augen: eine Kakaphonie der Stimmen, ein Wirrwarr der Interessen. „Jeder gegen jeden, das ist das herrschende Motiv, das ich zwei Jahrzehnte lang erlebt habe”, sagt Andre Agassi. Einen wie ihn wünschten sich viele in der Branche als „Commissioner”, als harten Hund mit Gesetzgebungsbefugnis, doch selbst der Ehemann von Steffi Graf hält das für „Utopie”. Stattdessen wird seit Jahren hin- und her geredet – und aneinander vorbei.


Der britische Spieler Andy Murray will einen Streik der besten Spieler der Welt nicht mehr ausschließen. „Wir haben keine Angst davor, zu streiken”, sagt Murray und erklärt: „Wir möchten einige kleine Dinge ändern. Zwei oder drei Wochen Pause im Jahr, ein paar Turniere weniger. Im Moment dauert es einfach zu lange, die Dinge zu ändern.” 

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