Superman mit Manieren

Rafael Nadal (22) ist der neue König des Tennis. Der Spanier ist angelangt auf dem Wimbledon-Thron. Ein Thron, der viele Säulen hat. Die AZ erklärt das Kraftpaket mit Köpfchen.
LONDON Am Tag danach war Rafael Nadal am Ende. „Mein Plan ist ganz einfach“, sagte der neue Wimbledon-Champion. „Ich will mich nur ausruhen. Ich bin kaputt.“ Kein Wunder, nach dem unvergessenen Finale am Sonntagabend. Selbst der dreimalige Wimbledon-Sieger John McEnroe schwärmte nach dem 6:4, 6:4, 6:7, 6:7, 9:7-Drama Nadals gegen Roger Federer vom „großartigsten Endspiel, das ich jemals gesehen habe.“
Nadal ist angelangt auf dem Wimbledon-Thron. Ein Thron, der viele Säulen hat.
Das Umfeld
Daheim in Manacor, im Osten Mallorcas, fühlt sich der 22-Jährige am wohlsten. In seinen geliebten Fischrestaurants ist er nicht der Superstar, sondern der Rafa, der Sohn des Glasladen-Besitzers Sebastian und der Hausfrau Ana Maria. Der Neffe von Toni Nadal, der am Sonntag angesichts der Nervenanspannung auf der Tribüne klagte: „Der Bursche hat mich fast umgebracht. Das war ein Attentat auf meine Gesundheit.“ Hat er sich aber selbst eingebrockt. Schließlich trainiert Toni seinen Neffen seit 18 Jahren.
Liiert ist Nadal seit drei Jahren mit Maria Francisca Perello. Die beiden kennen sich aus der Schulzeit, jetzt studiert sie in Palma Wirtschaftswissenschaften.
Dem Wunsch von Opa Rafael, dem Leiter der Blaskapelle von Manacor, kam der gleichnamige Enkel übrigens nicht nach. Klein-Rafa sollte in der Musikcombo Trompete spielen. Dafür spielt er jetzt im Welttennis die erste Geige.
Das Vorbild
Fußball-Onkel Miguel Angel, der 62 Länderspiele machte und 18 Jahre für Real Madrid und Barcelona spielte. Und Roger Federer. Sein großer Widersacher, den Nadal aber selbst nach dem Finale als „größten Tennisspieler aller Zeiten“ würdigte. Wie hoch die Wertschätzung ist, zeigt sich an der Playstation. Beim Computer-Tennis wählt Nadal am liebsten Roger Federer.
Der Charakter
Nach seinem ersten Sieg bei den French Open 2005 zeigte die „L’Equipe“ eine Karikatur mit einem Keulen schwingenden Nadal. Weil der alles niederprügelt. Auf dem Platz mag das stimmen. Privat nicht. Nadal ist bescheiden, hat Manieren. Als er Sonntagabend kurz vor elf den Presseraum verließ, sagte er den Journalisten zum Abschied: „Danke. Vielen Dank, dass Sie da waren.“ Immer höflich, ohne Allüren.
„Wir haben auf gute Erziehung und Benehmen Wert gelegt“, sagt Onkel Toni, deswegen gebe es auch keine Wutausbrüche. „Ich habe ihm als Kind gesagt: Wenn du das machst, such dir einen anderen Trainer!“ Und so ist Toni Nadal immer noch der Coach.
Kraft
„Nadal hat die Muskeln von Superman“, sagte einmal der Ex-Tennisprofi Cliff Drysdale. Schon als Bub fiel Nadal durch seinen mächtigen Brustkorb auf, inzwischen baut er dank Fitnesstrainer Joan Forcade und Masseur Rafael Maymo gezielt Kraft auf. Wegen seiner beängstigenden Physis gab es einmal Gerüchte, Nadal sei in die Dopingaffäre „Operacion Puerto“ verwickelt. Doch dafür gab es nie Indizien.
Mentale Stärke
Vom „Sieg des Willens“ schrieb gestern der „Daily Telegraph“. Nadal gibt nie auf, er sieht sich selbst als Arbeiter, einen, der alles erkämpfen muss. So verkraftete er auch den Rückschlag, als er gegen Federer eine 2:0-Satzführung verspielte und im vierten Satz zwei Matchbälle vergab. Andere wären daran zerbrochen.
Auch ein gesunder Geist ist ihm wichtig. In seiner angemieteten Villa am Newstead Way von Wimbledon las er in den letzten zwei Wochen „Der Junge im gestreiften Pyjama“ von John Boyne. Die Geschichte über den neunjährigen der Sohn des KZ-Kommandanten von Auschwitz, der sich mit einem jüdischen Buben anfreundet. So geht Nadals Horizont weit über den Sport hinaus. Bei anderen Tennisprofis endet er an der Grundlinie.
Ziele
„Noch besser zu werden“, sagte Nadal am Sonntag, „eines Tages die Nummer eins zu sein.“ Erst einmal aber ruht er sich aus, daheim in Manacor. Lesen und wohl auch an der Playstation sitzen. Vielleicht wählt er da ja auch mal sich selbst.
J. Allmeroth, F. Kinast