Super-Comeback: Wo soll das enden?

Tommy Haas schlägt die Nummer eins der Welt – und sagt nach dem Duell gegen Djokovic: „Eines der besten Spiele meiner Karriere!” Ein Sieg gegen den Ersten der Weltrangliste gelang ihm zuletzt vor 14 Jahren.
von  Jörg Allmeroth

Tommy Haas schlägt die Nummer eins der Welt – und sagt nach dem Duell gegen Djokovic: „Eines der besten Spiele meiner Karriere!” Ein Sieg gegen den Ersten der Weltrangliste gelang ihm zuletzt vor 14 Jahren

MIAMI Auf den letzten Metern und in den letzten Sekunden war er in seiner ganzen späten Herrlichkeit zu bestaunen. Der standhafte Altmeister Tommy Haas, das Phänomen des Tennis-Wanderzirkus’. Es stand 5:4 im zweiten Satz gegen Novak Djokovic, die Nummer eins der Welt. Haas servierte zum Sieg, und es war einer jener Augenblicke, in denen noch alles möglich ist – der eigentlich unmögliche Triumph, aber eben auch das nervöse Scheitern.


Doch nicht an diesem Tag, nicht in dieser Nacht. Wie ein großer Champion beendete Haas sein meisterliches Werk.


6:2 und 6:4 gewann Haas gegen den nominell besten Profi des Planeten schließlich, verdient und unfassbar zugleich. Nach Jahren, in denen die ärztlichen Bulletins und seine Krankengeschichte länger waren als seine Erfolge, dreht der unermüdliche Deutsche noch einmal auf, als wäre er in einen Jungbrunnen gefallen. „Ich bin glücklich und stolz, dass ich das noch erleben kann”, sagt Haas, „es war eins der besten Spiele meiner Karriere.” Nicht nur das: Es war auch der erste Sieg gegen einen Branchenführer seit 1999, damals schlug Haas den Amerikaner Andre Agassi.


Fast wie der spätberufene Agassi, der auch jenseits der 30 eine neue Blütezeit erlebte, macht nun auch Haas mit 35 das scheinbar Unmögliche mit einer schönen Regelmäßigkeit möglich. Vor zwei Jahren startete er sein vorerst letztes Comeback-Abenteuer. Auf Platz 212 der Weltrangliste, irgendwo zwischen ewigen Vagabunden und Jungspunden hielt er sich damals auf. Es war keine Hoppla-jetzt-komm-ich-Rückkehr damals, alles andere als das. Haas kassierte Erstrunden-Niederlagen, er machte sich in die Niederungen der Zweiten Liga auf, spielte bei Challenger-Turnieren – und kehrte schließlich zurück in die Weltspitze. Ganz nach dem Motto: der alte Mann und das Mehr. Und wie eine Initialzündung und massive Selbstbestätigung wirkte da im letzten Frühling der Finalsieg im westfälischen Halle, der Pokalcoup gegen Roger Federer. Und nun also auch dieses verrückte Stück in Miami, mit Haas als Hauptfigur einer Story zwischen Hollywood und Disneyland.


Haas ist wahrscheinlich der talentierteste Spieler, der in dieser Tennis-Epoche keinen Grand Slam-Sieg geholt hat – oder holen konnte. Er hatte das Spiel dafür, die wuchtigen Schläge, das harte Service, die Offensivkraft, auch den nötigen Mumm bei den Big Points. Doch immer wieder warfen ihn die Verletzungen zurück, nagten an seiner Moral. Haas hat es noch einmal allen gezeigt. Und wo wird das alles nun noch enden, dieses Comeback, diese Tour der Freude nach der Tour der Leiden. „Ein bisschen wie im Traum ist das schon alles”, sagt Haas. Fortsetzung folgt.

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