Steffi Graf: "Ich bin glücklich, wenn es der Familie gut geht"

Steffi Graf hat vor zehn Jahren ihre beispiellose Tennis-Karriere beendet. Die 22-malige Grand-Slam-Siegerin lebt mit ihrem Mann Andre Agassi und den beiden Kindern in Las Vegas. Am Sonntag feiert die Jahrhundertsportlerin ihren 40. Geburtstag. Was sie sich wünscht, was sie an Obama schätzt, Ihre Gedanken über Vergangenheit und Zukunft.
Was bedeutet Ihnen die Zahl 40?
Unglaublich wenig.
Aber Sie feiern 40. Geburtstag. Welche Zwischenbilanz ziehen Sie?
Ich kann mit großer Freude auf die ersten 40 Jahre zurückblicken. Vor allem bin ich glücklich über meine Familie. Ich bin stolz auf meine beiden Kinder und auf meinen Mann. Und ich habe eine tolle Karriere hinter mir. Besser als es gelaufen ist, kann man es sich eigentlich nicht wünschen.
Sie wirken immer sehr ausgeglichen. Bringt Sie überhaupt etwas auf die Palme?
Oh ja. Aber ich habe früh gelernt, meine Emotionen zu kontrollieren und zu beherrschen. Es hat mich auf dem Tennisplatz stärker gemacht. Natürlich gibt es Dinge, die mich aufregen und auf die Palme bringen. Ungerechtigkeit zum Beispiel, Böswilligkeit und die Machtlosigkeit, wenn man Ungerechtigkeit sieht.
Was macht Sie nervös?
Große öffentliche Auftritte waren noch nie meine Sache.
Wenn Sie zurückblicken, was bereuen Sie?
Da gibt es immer etwas, was man hätte anders machen können oder sollen. Aber ich bin so glücklich an dem Punkt, an dem ich jetzt bin, dass es keinen Grund gibt, mit Dingen in der Vergangenheit zu hadern.
Sie gehören also nicht zu den Menschen, die sagen: Ich würde alles noch einmal genauso machen?
Nein.
Denken Sie manchmal daran, was vor 30, 20 und 10 Jahren war?
Mit Kindern bleibt einem gar nicht soviel Zeit, an die Vergangenheit zu denken oder in der Vergangenheit lange zu verweilen. Ich lebe gerne in der Gegenwart und schaue nach vorne. Das schließt natürlich nicht aus, dass man immer wieder schöne Erinnerungen hat.
So wie Mitte Mai bei der Reise in die Vergangenheit, als Sie bei der Eröffnung des neuen Center Courts in Wimbledon mit Ihrem Mann Andre Agassi auf dem Heiligen Rasen spielten?
Ich habe das Gefühl, als wäre meine Tennis-Karriere schon unheimlich lange her. Unser Tag in Wimbledon war daher schon wie eine kleine Reise in die Vergangenheit. Als ich mit meinem Mann dann auf den Center Court gegangen bin und die vertraute Kulisse um uns wahrgenommen habe, wurden viele Erinnerungen in mir wach. Und dann fängst du an zu spielen und kannst dir nicht vorstellen, dass dein letzter Auftritt hier schon zehn Jahre zurückliegt.
Welche Rolle spielt der Sport heute in Ihrem Leben und wie sieht Ihr Sportprogramm aus?
Ein Leben ohne Sport ist für mich kaum vorstellbar. Ich trainiere noch mehrere Male die Woche und suche meine Freiräume, um mit dem Sport etwas für mich zu tun und meine Gedanken zu ordnen. Auf diese Weise kann ich entspannen und wieder Energie auftanken. Außerdem habe ich mit meiner Fitnesskette „Mrs. Sporty“ ein Engagement entwickelt, um auch andere Frauen mit meiner Sportbegeisterung anzustecken und zum Sport zu bewegen. In vier Jahren haben wir immerhin schon 75 000 Mitglieder gewonnen.
Und wie hält es Ihr Mann Andre Agassi mit dem Sport, nachdem auch er seine Karriere vor knapp drei Jahren beendet hat?
Mein Mann sieht das ähnlich. Wir sind beide mit dem Sport groß geworden.
Welchen Sport trainieren Ihre Kinder Jaden Gil (7) und Jaz Elle (5)?
Beide bewegen sich sehr gerne und nehmen den Sport spielerisch. Unser Großer spielt besonders gerne Baseball. Die Saison geht über zweieinhalb Monate und seine Mannschaft hat gerade ihr großes Playoff-Spiel gewonnen: 11:10. Die Kleine macht Gymnastik, spielt auch ab und zu mal Tennis, sie probiert alles so ein bisschen aus. Sie haben beide auch eine Begeisterung für Musik entwickelt.
Welche Ziele, Träume, Wünsche haben Sie?
Wenn ich in die Zukunft schaue, denke ich in erster Linie an meine Kinder, wie sie aufwachsen und sich entwickeln. Hierum drehen sich meine Hoffnungen und Wünsche. Ich möchte sie glücklich sehen und ihnen zur Seite stehen.
Träumen Sie noch auf Deutsch?
Mittlerweile verschiebt sich alles mehr ins Englische. Natürlich spreche ich mit den Kindern auch Deutsch. Aber ich bemerke selbst, dass ich immer häufiger auf Englisch denke und träume.
Wie und mit wem feiern Sie Ihren Geburtstag?
Bei uns in der Familie werden Geburtstage nicht so groß geschrieben und haben weniger Bedeutung. Ich bin vor einer Woche mit einer kleinen Geburtstagsfeier vorab überrascht worden. Da kamen die Familie und einige Freunde zusammen, weil wir in den nächsten Wochen einen rappelvollen Terminkalender haben.
Welches Geburtstagsgeschenk macht Sie glücklich?
Wenn es meiner Familie gut geht, bin ich glücklich. Auf Geschenke kommt es mir nicht an. Für mich ist es wichtiger, mit allen zusammen sein zu können.
Wie wichtig ist Ihnen ein normales Familienleben?
Das steht über allem, keine Frage. Die Familie ist mein Lebensmittelpunkt. Einige Leute haben sich gefragt, wie das in Las Vegas funktionieren kann? Ich kann nur sagen, es klappt, und darüber bin ich sehr froh.
Welche Projekte planen Sie mit Ihrer Stiftung „Children For Tomorrow“?
Neben unseren Projekten in Hamburg, im Kosovo, in Südafrika und Eritrea haben wir ein neues Projekt im Uganda in Planung. Auch dort wollen wir gewalttraumatisierten Kindern helfen. In Nordafrika wollen wir unser Engagement erweitern, und auch der Bau eines neuen Traumazentrums in Hamburg wird uns dieses Jahr stark beschäftigen.
Beängstigt Sie die weltweite Finanzkrise?
Natürlich.
Glauben Sie, dass die Politiker das in den Griff bekommen?
Ich habe sehr große Hoffnung, dass die richtigen Lösungen gefunden werden. Man hat ja schon gute Ansätze gesehen und man hört von den ersten positiven Nachrichten. Ich hoffe, dass sich in drei, vier Monaten alles ein bisschen stabilisiert hat.
Welche Hoffnung verbinden Sie mit US-Präsident Barack Obama?
Er hat die Gabe, Menschen zusammenzubringen. Das hat man ja auch in seinem Wahlkampf gesehen. Das ist, was wir alle hoffen und brauchen. Er steht für Stabilität und einen Weg der Kommunikation. Aber er steht vor so vielen Herausforderungen in einer Welt, die große Schwierigkeiten hat.
Welcher Sportler begeistert Sie momentan am meisten?
Man kann nur mit großem Staunen und mit Bewunderung reagieren, wenn man Rafael Nadal beim Tennisspielen zuschaut. Er ist ein unglaublicher Athlet mit so viel Disziplin, so konzentriert und mit so viel Leidenschaft bei der Sache. Es fehlen mir die Worte, sein Spiel treffend zu beschreiben. Ich habe selten jemanden gesehen, der jeden Ball mit einer solchen Aufmerksamkeit angeht. Mit einer Leidenschaft und Freude, dass es einfach Spaß macht ihm zuzuschauen. Mit ihm kann man alles verbinden, was Tennis so schön macht.
Vor 22 Jahren haben Sie Ihren ersten Grand-Slam-Sieg bei den French Open gefeiert. Ihre Erfolge haben den Tennis-Boom in Deutschland mit ausgelöst. Denken Sie manchmal noch an den Hype?
Es war eine tolle Zeit. Und es ist schön, in einem Sport groß geworden zu sein, dem man geholfen hat, ein bisschen bekannter zu werden. Es war ein gutes Gefühl, in einem Sport aktiv zu sein und zu erfahren, wie vielen Leuten es Spaß gemacht hat, dabei zuzuschauen.
Tut es Ihnen weh, dass es nicht mehr so ist?
Natürlich ist es schade, dass Tennis derzeit nicht mehr so viel Aufmerksamkeit findet, wie früher. Aber das kann sich mit neuen Sportlern und Spielertypen auch wieder ändern.