Steffi, die Siegerin von Paris

Swetlana Kusnetsowa gewinnt die French Open, doch gefeiert in Roland Garros wird Steffi Graf, die vor 10 ihren ihren letzten Titel in Paris gewann. Warum das Damen-Tennis in der Krise steckt.
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Steffi Graf (weißes Kostüm) bei der Siegerehrung in Paris mit Siegerin Kusnetzowa (l.) und Safina.
Bongarts/Getty Images Steffi Graf (weißes Kostüm) bei der Siegerehrung in Paris mit Siegerin Kusnetzowa (l.) und Safina.

PARIS - Swetlana Kusnetsowa gewinnt die French Open, doch gefeiert in Roland Garros wird Steffi Graf, die vor 10 ihren ihren letzten Titel in Paris gewann. Warum das Damen-Tennis in der Krise steckt.

In ihren bunten Werbefilmchen stellt die Spielerinnen-Gewerkschaft WTA dieser Tage eine rhetorische Frage mit Beharrlichkeit: Sie suchen eine Heldin? Und dann läßt die PR-Truppe des Damentennis flugs zur Antwort eine Armada von „Supergirls“ durchs Bild flitzen, die elegante Venus Williams, die hübsche Ana Ivanovic, die glamouröse Maria Scharapowa, die kapriziöse Jelena Jankovic. Doch das smarte Propaganda-Fernsehen hat einen kleinen Schönheitsfehler: Die Aktricen, die von der WTA für die wichtigsten Werbestreifen herangezogen wurden, zur Vermarktung bei Fans, Medien und Sponsoren, leiden entweder unter Formschwäche oder noch unter den Nachwirkungen von schweren Verletzungen – so wie Scharapowa, die Königin des Dramas.

Sie suchen eine Heldin? Jedenfalls ist nach dem letzten großen Stopp der Tennis-Karawane in Paris niemand fündig geworden. Und fast symptomatisch für den eher bedauerlichen Zustand des Damentennis war der Doppelfehler beim Matchball, mit dem sich die augenblickliche Nummer 1-Spielerin Dinara Safina aus allen French Open-Titelträumen verabschiedete, in Tränen ausbrach und den Weg zum Titelgewinn (6:4, 6:2) für ihre langjährige Freundin Swetlana Kusnetsowa ebnete, eine unprätentiöse Fleißarbeiterin, die kaum zur Vorzeigefigur für die Branche taugt.

„Es war einfach unmöglich, nicht nostalgisch zu werden bei der Siegerzeremonie, als Steffi Graf den Pokal übergab“, notierte der „Guardian“ zu dem schlichten Finaltag, an dem die deutsche Zeremonienmeisterin schliesslich noch die strahlendste Erscheinung war. Vor zehn Jahren hatte die Brühlerin das legendäre Endspielduell gegen Martina Hingis gewonnen – es war ein Finale für die Ewigkeit, wo die 2009er Auflage nur eine flüchtige, geisterhafte Erscheinung für ein Wochenende war, ohne Esprit, ohne Spielwitz, ohne Thrill und Klasse. Überhaupt muss man schon lange zurückblicken, um gerade hier in Paris ein würdiges Endspiel für das größte Sandplatzturnier der Welt auszumachen – genau sieben Jahre schon, bis zum wunderlichen Drei-Satz-Triumph von Jennifer Capriati gegen Kim Clijsters, der mit einem 12:10 im dritten Satz endete.

Safina: "Ich schlage mich immer selbst"

Im Hier und Jetzt steht die Tour der besten Tennisspielerinnen mit einer Nummer 1 da, die keine großen Matches und Turniere gewinnen kann. Seit dem Pariser Endspiel 2008 hat Dinara Safina nun schon vier herausragende Partien verloren, zwei Mal das French Open-Finale, aber auch das Olympia-Endspiel und das Finale der Australian Open zu Saisonbeginn 2009. „Ich schlage mich immer selbst“, sagte die kleinere Schwester von Marat Safin, die noch im Countdown zum Roland Garros-Termin die beiden Turniere in Madrid und Rom gewonnen hatte. Aber als es galt, endlich einen Major-Titel zu holen, spielten ihr die Nerven wieder einmal einen furchtbaren Streich. Kusnetsowa, die im letzten Jahr aus ihrer Wahlheimat Spanien wieder heim nach Russland zurückgekehrt war, musste im Endspiel so kaum mehr tun, als den Ball im Spiel zu halten und auf die Fehler der Freundin zu warten. „Ich konnte es förmlich spüren, wie aufgeregt und verkrampft sie war“, sagte die 23-jährige, die nach den 74 Endspielminuten mit sage und schreibe 1,06 Millionen Euro Paris verließ und auf Platz 5 der Weltrangliste sprang.

So haben die French Open den Trend im Damentennis eher noch verstärkt, die befremdliche Tendenz zu unklaren Machtverhältnissen, zu einer schwammigen Hackordnung ohne klare Führungskraft. Seit Monaten schon wechseln die Spielerinnen an der Spitze wild hin und her, ohne jemals bleibende Eindrücke hinterlassen zu haben. Eine prägende Gestalt fehlt, so wie einst Steffi Graf, so wie die im letzten Jahr zurückgetretene Belgierin Justine Henin. Oder auch wie Maria Scharapowa, die umstrittene, polarisierende, aber in jeder Hinsicht wahrnehmbare Russin. Immerhin: Dass die Werbeikone sich nach zehn Monaten Pause auf Anhieb bis ins Viertelfinale vorspielte, war denn noch ein kleiner Gewinn in der großen Pariser Verlustrechnung fürs Damentennis.

Jörg Allmeroth

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