Steffen mit Weltrekord - Europarekord für Samulski
Berlin (dpa) - Weltrekord für Britta Steffen, Europarekord durch Daniela Samulski, nationale Bestmarken im Minutentakt - doch Deutschlands Spitzenschwimmer können sich mit der neuen Kleiderordnung nicht so recht anfreunden.
«Mein neuer Anzug wird nächstes Jahr verboten - und das ist auch gut so», sagte Doppel-Olympiasiegerin Steffen nach ihrer sensationellen Bestmarke von 52,82 über ihre Spezialstrecke 100 Meter Freistil. Mit der Freude über die Erfüllung ihres «zweiten Lebenstraums» hielt sich die 25-Jährige nicht lange auf, sondern sprach unverblümt über das Hauptproblem des Schwimmsports. «Mein neuer Anzug ist wie von einem anderen Stern, man schwimmt wie auf einer Luftmatratze, ich bin über eine Sekunde schneller», sagte sie. Die Topfavoritin für die WM in Rom Ende Juli fügte kopfschüttelnd hinzu: «Wo soll das noch hinführen?»
Mit neuem Material purzelten die Rekorde in Berlin schon in den Vorläufen. Die Essenerin Samulski (Essen), die den Europarekord über 50 Meter Rücken um 2/10 auf 27,85 Sekunden verbesserte, machte aber deutlich: «Der Anzug macht es dann doch nicht allein.» Zwar war die Russin Anastasia Zujewa in diesem Jahr mehrfach schneller als Samulski gewesen, allerdings wurden ihre Bestmarken wegen nicht regelkonformer Anzüge oder fehlender Doping-Kontrollen nicht anerkannt. Samulski unterbot damit auch die WM-Norm um 37/100 Sekunden.
Die nationale Bestmarke über 50 Meter Rücken fiel gar im Minutentakt. Zunächst legte Helge Meeuw (Frankfurt/Main) 24,74 Sekunden vor, dann holte sich der kurzzeitig entthronte Thomas Rupprath (Rostock) seinen Rekord in 24,73 Sekunden zurück. Beide blieben deutlich unter der WM-Norm. «Ein Teil ist auf jeden Fall der Anzug», sagte Meeuw. «Ich bin eigentlich gegen diese Entwicklung, aber was soll ich machen? Ich würde ja nicht mehr ernst genommen, wenn ich in Badehose antrete.» Rupprath sprach von einer «Punktlandung». Über 50 Meter Brust löschte der Essener Hendrik Feldwehr in 27,37 Sekunden den alten Rekord von Mark Warnecke.
Britta Steffen wusste die Umstände des Rekords gut einzuordnen. «Diese Materialschlacht macht den Schwimmsport kaputtt», sagte die Doppel-Olympiasiegerin über 50 und 100 Meter Freistil, die sich seit Peking mehr auf ihr Studium konzentriert hatte. Erst vor einer Woche war sie das neue Modell «Hydrofoil» («Wasserfreundlich») ihres Ausrüsters adidas das erste Mal im Training geschwommen. «Ich habe gedacht, das kann nicht sein», schilderte sie ihren ersten Eindruck des «Weltraum-Anzugs». Im Vorlauf um halb zehn morgens verausgabte sich Steffen noch nicht einmal - und schwamm doch diese Zeit. «Ich bin verwundert und bestürzt, dass mein Schwimmgefühl mich so getäuscht hat», schilderte sie ihre eigene Überraschung, schätzte aber realistisch ein: «Ich bin nicht so euphorisch, weil noch viele Weltrekorde fallen werden.»
Dass nach dem Olympiasieg ihr zweiter Lebenstraum, unter 53 Sekunden zu schwimmen, so schnell erfüllt werden würde, damit hätte Britta Steffen auch mit der neuen «Wunder-Waffe» nicht gerechnet. «Das ist das krasseste Teil, was ich je getragen habe. Du liegst auf dem Wasser, stirbst nicht auf den letzten Metern, du hast keine Schmerzen», sagte sie und konnte sich keinen Reim auf die Erfolgsformel machen: «Selbst Wissenschaftler wissen nicht, woran es liegt.»
Der Weltverband FINA hatte erst zu Wochenbeginn die meisten der umstrittenen «Wunder-Anzüge» genehmigt, darunter die Neu-Entwicklung von Steffens Sponsor. Ironie der Geschichte: Der Sportartikel- Hersteller hatte erst Ende 2008 den Ausrüstervertrag mit dem DSV nach andauernder Kritik vieler Schwimmer am angeblich nicht konkurrenzfähigen Material fristlos gekündigt. Erst von 2010 an will die FINA strengere Regeln für die Anzüge erlassen, die allein im vergangenen Jahr 108 Weltrekorde ermöglicht und die Grundfesten der olympischen Kernsportart erschüttert hatten.
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