Starke Egos unter sich
MÜNCHEN - Jetzt trainiert Luca Toni wieder bei Bayern. Zwischen ihm und Trainer Klinsmann gibt es viele Parallelen. Ob das gut ist, wird sich herausstellen
Jürgen Klinsmann hat jetzt Konkurrenz bekommen an der Säbener Straße. Das einnehmende Lächeln des ewig gut gelaunten Übungsleiters droht überstrahlt zu werden, der Rivale steht in den eigenen Reihen: Luca Toni (31).
Der Italiener hat am Dienstag das Training aufgenommen. Das neue Leistungszentrum an der Säbener Straße inspiziert. Und die Fans erfreut: Toni, der Bayern-Beau, schenkt ihnen Autogramme und jenes strahlende Lächeln, das ihn binnen eines Jahres zum Publikumsliebling hat werden lassen. Davon, dass er als Torlos-Toni eine frustrierende EM erlebt hat (Viertelfinal-Aus gegen Spanien), ist ihm nach seinem Sardinien-Urlaub nichts mehr anzumerken.
Stand bisher allein Klinsmann im Fokus, ist Toni seit gestern in Noch-Abwesenheit der Schweinipoldiribérys der erste Spieler, der große Sympathien und Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Überhaupt wird es spannend zu beobachten, wie sich das Kräfteverhältnis bei Toni & Klinsi einpendelt. Erst recht, weil es erstaunliche Persönlichkeits-Parallelen zwischen gibt zwischen den Stürmern, die es beide zum Weltmeister-Titel gebracht haben. Das kann darauf hindeuten, dass sich die beiden besonders gut verstehen werden. Oder auch gerade nicht.
DER EGO-TRIEB
Mittelstürmer sind naturgemäß Tormaschinen, nicht Teamplayer. Das galt schon zu Klinsmanns aktiver Zeit beim FC Bayern. Er hat in der Uefa-Cup-Serie 1995/96 zwar sensationelle 15 Tore erzielt. In der Bundesliga (16 Treffer) legte er Mitspielern aber nur drei Tore auf. Im Team war das damals durchaus ein Thema.
Toni gab in seiner ersten Bundesliga-Saison zwar sieben Torvorlagen, glänzte aber vor allem als Vollstrecker (39 Treffer in 46 Pflichtspielen). Auswechslungen verweigerte er mit dem Hinweis auf sein Spielmotiv: „Tore, Tore, Tore!“ Die sind gut für eine Mannschaft. Aber nicht immer für deren Teamgeist. Genau den will Klinsmann nun aber in den Vordergrund stellen.
DAS AUFSTÄNDLERISCHE
Sie können auch anders als immer zu lächeln. Klinsmann hat sich als Profi einst eine Stammplatzgarantie in den Vertrag schreiben lassen und so dem Trainer den Job schwer gemacht. Auf Giovannis Trapattonis Auswechslungen reagierte der Heißsporn mit dem legendären Tonnen-Tritt. Und Toni? Als der impulsive Italiener sich im Vorjahr von Ottmar Hitzfeld falsch eingesetzt sah, marschierte er zum Vorstand. Karl-Heinz Rummenigge spricht ja italienisch. Der Klubchef war es auch, der Hitzfeld mit öffentlicher Kritik quälte. Hitzfeld ist nun weg. Toni und Rummenigge sind noch da. Wie der Angreifer sein Standing im System Klinsmann bewertet, legte er gestern schon mal eindeutig dar: „Ob wir mit einem oder zwei Stürmern spielen, ist mir egal. Hauptsache, ich spiele.“
DIE ARBEITSEINSTELLUNG
So etwas können sich nur starke Charaktere erlauben: Der Stürmer Klinsmann, freilich ein engagierter Trainingsarbeiter, meuterte einst bei Bayern gegen das weit entfernte Mannschaftsquartier am Tegernsee; daraufhin bezog das Team fortan ein Hotel in Taufkirchen. Auch Toni nimmt sich seine Freiheit. Als Trainingsweltmeister gilt er wahrlich nicht; mittags nach der Einheit ging er gern zum Italiener essen. In Klinsmanns Ganztags-Leistungszentrum inklusive Schuhbeck-Kantine wird sich Toni umstellen müssen. Nicht nur kulinarisch. Auch bei der Arbeit.
DAS PRIVATE
Stürmerstars taugen nun mal als Trendsetter. Der Spieler Klinsmann gefiel sich als lässiger Sonnyboy mit Käfer-Cabrio, an der Seite des blonden tauchte damals bald das Model Debbie auf, ein dunkler, optisch ganz anderer Typ als der Schwabe (inzwischen hat er mit Gattin Debbie zwei Kinder). Auch Toni ließ sich vom Gegensatz anziehen, Partnerin Marta ist ein erdbeerblondes Model mit hellem Teint. Wie Kosmopoliten-Coach Klinsmann ziehen sie die City dem Landleben vor, wohnen im schicken Lehel. Gemeinsam geben sie ein hübsches Szene-Paar ab, sind Lieblinge der Hochglanzblätter.
Die nächsten Wochen werden zeigen, ob Toni auch das Potenzial zum Klinsmann-Liebling hat. Der Bayern-Trainer hätte ja gern noch Mario Gomez vom VfB Stuttgart verpflichtet. Auch der ist Mittelstürmer. Und Schwabe – wie Klinsmann. Wie Toni wohl Bayerns Werben um Gomez gewertet hat? Vorerst lächelt er.
Michael Schilling