Sportlerin des Jahres Birgit Kober: "Ich will ein Vorbild sein"
AZ: Frau Kober, zweimal Gold bei den Paralympics in London hatten Sie ja schon – und jetzt kommt noch einmal Gold von den AZ-Lesern als Münchens Sportlerin des Jahres dazu!
BIRGIT KOBER: Der Wahnsinn! Ich freue mich riesig! In meiner Heimatstadt so eine Bestätigung zu erfahren, das ist schon echt stark!
2012 dürfte Ihr Leben ziemlich umgekrempelt haben.
Absolut! Das Jahr hat für mich so viel verändert. Selbst wenn mal nichts in der Zeitung steht: Es passiert eigentlich jeden Tag, dass mich jemand anspricht: Ach, Sie sind die Speerwerferin? Auf der Bank, im Supermarkt, überall!
Wie gehen Sie damit um?
Das ist total toll! Eine irrsinnige Wertschätzung. Die einen beglückwünschen mich für das Sportliche, andere drücken mir ihre Unterstützung für meinen Prozess aus. Und ich höre oft, dass die Neuperlacher stolz sind, dass ich aus ihrem Stadtteil bin, dass mal eine von ihnen es zu etwas gebracht hat! (lacht)
Sie haben die Konkurrenz in London mit zwei Weltrekorden im Speerwerfen und Kugelstoßen deklassiert.
Ich werde das niemals vergessen: Das Speerwerfen war der letzte Wettkampf am Tag. Das ganze Wembleystadion schaut auf mich und klatscht mich ein. Eine sitzende Werferin! Das hat mich so glücklich gemacht, man sieht das auch auf den Fotos. Ich strahle über das ganze Gesicht! Und dann werfe ich Weltrekord und das ganze Stadion brandet auf. 80000 Menschen. Wow!
Bei der Siegerehrung für das Kugelstoß-Gold wirkten Sie erschlagen und ergriffen.
Da wurde mir erst klar, was ich alles erreicht habe. Das absolute Maximum! Für mich hat sich ein Kreis geschlossen. Vor vier Jahren hatte ich die Paralympics in Peking im Fernsehen gesehen. Da wollte ich dann auch hin. Und dann bin ich dort. Und gewinne zweimal Gold...
Wie geht es sportlich weiter?
Ich reise im Frühjahr nach Dubai zu einem Wettkampf, da gibt es sogar Preisgeld, das ist sehr ungewöhnlich. Und ich möchte 2013 natürlich Weltmeisterin werden.
Und Sie streiten vor dem Landgericht München mit dem Klinikum Rechts der Isar um Schadenersatz für eine Überdosis Medikamente, wegen der Sie auf den Rollstuhl angewiesen sind.
Und ich wünsche mir sehr, dass der Prozess baldmöglichst ein Ende findet. Ich habe einem Mediationsverfahren zugestimmt. Ich hoffe sehr, dass die Sache vor der WM im Juli durch ist.
Mit der Öffentlichkeit, die Sie gewonnen haben, kommt auch eine Vorbildfunktion - für alle diejenigen, die in ihrem Leben mit Einschränkungen zu kämpfen haben.
Ich weiß, dass mit so einem Erfolg auch eine Verantwortung einhergeht. Und der möchte ich gerecht werden. Ich denke, ich habe jetzt eine Chance, Dinge zu verändern, ein Vorbild zu sein. Wer, wenn nicht ich, jetzt und hier?
Was heißt das konkret?
Ich möchte helfen, dass sich die Sportstruktur für Leichtathleten mit Behinderung in Bayern verbessert. Diese Struktur ist noch nicht da. Weil es zum Beispiel in Bayern keinen - gar keinen! - Verein gibt, für den jemand starten kann.
Sie treten für Leverkusen an.
Was für mich natürlich ein Glücksfall war - aber keine Perspektive für andere ist. Deswegen möchte ich etwas ändern. Man müsste einen Verein gründen - oder eine Abteilung in einem Verein schaffen, für den die Sportler mit Behinderung antreten können. Ohne Vereine gibt es keine Startplätze. Und dann bräuchte es noch ein paar andere Vereine, die kooperieren und Trainingsgelegenheiten anbieten. In London hatten wir immer diesen Slogan: "Inspire a nation" vor der Nase. Das war so präsent, das hat alle mitgerissen! Ein Stückchen davon möchte ich bei uns auch einpflanzen. Ich mache meinen Sport nicht nur für mich, sondern auch für alle, die nach mir kommen. Der Sport hat mich ins Leben zurückgeholt.
Dabei gibt es auch bei Ihnen selbst noch Baustellen...
...ich bin weiter auf der Suche nach einem Sponsor.
Haben Sie schon etwas konkretes im Auge?
Ich möchte zu Red Bull! Wenn man sieben Meter weiter wirft als die Konkurrenz, dann könnte man das schon so verkaufen, dass ich meinem Speer Flügel verleihe! Ich werde da jetzt ein bisschen was basteln, meine Videos und Fotos mit Flügelchen bearbeiten. Vielleicht gefällt ihnen das - und sie laden mich einmal nach Salzburg ein. Ein Sponsor - das wäre ein Traum! Weil dann wäre ich endlich von Hartz IV weg.