"Spinnt ihr denn?"

Am Donnerstag hat „City to Summit” Premiere im Kino. Der Film dokumentiert den Trip eines alleinerziehenden Vaters und seines Sohnes von München auf die Zugspitze – nur aus Muskelkraft.
Interview: Julian Galinski |
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Am Gipfeltag auf dem Klettersteig unterhalb des Zugspitz-Gipfels: Sebastian Stiphout kann Luca kaum bremsen.
Sebastian Stiphout & Clemens Bittner Am Gipfeltag auf dem Klettersteig unterhalb des Zugspitz-Gipfels: Sebastian Stiphout kann Luca kaum bremsen.

Am Donnerstag hat „City to Summit” Premiere im Kino. Der Film dokumentiert den Trip eines alleinerziehenden Vaters und seines Sohnes von München auf die Zugspitze – nur aus Muskelkraft

Andere Väter kaufen eine Playstation, wenn der Familie langweilig ist. Sie machen einen zwölftägigen Triathlon auf die Zugspitze. Wie kommt man auf sowas?


SEBASTIAN STIPHOUT: Die Idee kam uns 2011. Wir standen nach einem Wochenende in den Bergen auf der A8 drei Stunden im Stau. Und dann meinte Luca: Wir könnten doch mit dem Fahrrad fahren! Und weil München mit der Isar und den Alpen so günstig liegt, haben wir zusammengereimt: Mit dem Fahrrad zur Zugspitze, zu Fuß rauf – und mit dem Boot zurück. Aus eigener Kraft und im Gepäck, was wir brauchen.


Das heißt, du hast vorher schon Erfahrung am Berg gesammelt, oder?


LUCA STIPHOUT: Ja. Die Zugspitze war zwar bisher mein höchster Berg, aber wir waren davor schon viel unterwegs, auch mit dem Rad. Und haben auch schon Nächte draußen verbracht. Vor vier Jahren waren wir in den Dolomiten und mussten vor einer Hütte biwakieren, weil die voll war. Die Leute haben sogar in der Küche geschlafen.


Wie lange haben Sie sich insgesamt vorbereitet?


SEBASTIAN: Etwa neun Monate. Ein befreundeter Sportwissenschaftler hat mir einen Trainingsplan gemacht. Mit Luca habe ich einfach das geübt, was wir auf der Tour machen, zum Schluss noch längere Klettersteige. Am wenigsten haben wir das Paddeln geübt. Das war ein Fehler.


Gab es Probleme?


Das Boot hat geleckt und die Isar war jetzt auch im Sommer nicht besonders warm. Wir sind dann nach einem Teil der Strecke wieder auf die Bikes umgestiegen. Das Schlauchboot haben wir gleich in die nächste Mülltonne geschmissen. Luca war allerdings ziemlich sauer.


LUCA: Ja, ganz schön!


SEBASTIAN: Klar, das Paddeln wäre entspannter gewesen.


LUCA: Das war der zweitspannendste Teil der Tour.


Und der spannendste?


LUCA: Der Klettersteig auf die Zugspitze.


SEBASTIAN: Im Grunde sind wir Bergsteiger. Und das Biken und Paddeln war der Transport. Ich hatte vor dem Fahrradfahren am meisten Respekt. Mein Anhänger wog 70 Kilo, das war erbarmungslos, bei jeder kleinsten Steigung. Und das insgesamt 280 Kilometer. Wobei der Klettersteig auch ziemlich anstrengend war, vor allem für das Filmteam. Er ist mit Schwierigkeitsgrad B/C zwar nicht besonders schwierig, aber das sind 1600 Höhenmeter. Die musst du erst mal abrackern.


Wie hat Luca das verkraftet?


Am Gipfeltag war Luca nicht zu bremsen. In einer Szene im Film werde ich ziemlich sauer, weil er einfach voraus gerannt ist. Ich musste ihn zwingen, eine Pause zu machen.


Habt ihr auch gestritten?


LUCA: Nein. Ich war nie richtig sauer. Aber öfter mal müde. Vor allem beim Fahrradfahren. Wir haben allerdings immer gut geschlafen im Zelt.


Gab es Momente, in denen Sie gezweifelt haben, das Richtige zu tun?


SEBASTIAN: Die Tage vor der Tour hatte ich Gewissensbisse, ob es wirklich gut ist, was ich mache, oder ob das fahrlässig ist, Luca gegenüber.


Und auf dem Weg?


SEBASTIAN: Die ersten Tage hatten wir schönes Wetter. Wir kamen an einem späten Nachmittag in Garmisch an und die Wolken sind aufgezogen. In der Nacht hat es angefangen zu schütten. Und der Wetterbericht hat Schnee bis auf 1600 Meter vorausgesetzt. Also: Weiter im Tal zelten oder rauf zur Höllentalangerhütte und es dort aussitzen?


Wie haben Sie entschieden?


Wir sind im strömenden Regen durch die Höllentalklamm rauf. Da dachte ich mir: Abenteuer wollte ich, Abenteuer habe ich bekommen. Dann waren wir drei Tage auf der Hütte. Das war eine andere Art von Extremsituation. Du bist dem Wetter ausgeliefert und hast keine Kontrolle. Aber das war auch wichtig: Von der Natur in die Schranken gewiesen zu werden. Demut zu spüren!


Sie wirken sehr vertraut. Wie lange erziehen Sie Luca schon alleine?


Seit sechseinhalb Jahren. Und ich muss sagen, als wir zusammen auf dem Gipfel standen, das war mit der stolzeste Tag für mich als Vater.


Luca, wie würdest du euer Verhältnis beschreiben?


LUCA: Er ist mein Kumpel. Und Vater. Beides zusammen.


Mussten Sie sich vor der Tour mit vielen Kritikern auseinandersetzen?


SEBASTIAN: Zumindest unterschwellig haben uns Menschen schon mitgeteilt: Spinnt ihr denn? Uns war jedenfalls klar: Wir machen das nur, solange wir uns gut fühlen. Und nur, wenn wir uns vorher gut vorbereiten und uns entsprechend ausrüsten. Es war eine Herausforderung. Aber nur so entwickelt man sich weiter: Wenn man die Komfortzone ein bisschen verlässt. Kinder sollen raus, sich bewegen, etwas erleben! Ich glaube, wirklich versteht man uns nur, wenn man schon mal in den Bergen unterwegs war.


Gibt es schon neue Pläne?


LUCA: Der Großglockner!

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