Spektakel in Kitzbühel: Mythos Neureuther

Vor drei Jahren gewann der Sohn von Rosi Mittermaier und Christian Neureuther seinen ersten Weltcup – in Kitzbühel. Am Sonntag zählt er dort zu den Favoriten. Auch auf die Streif will er sich irgendwann wagen
Thomas Becker |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

Vor drei Jahren gewann der Sohn von Rosi Mittermaier und Christian Neureuther seinen ersten Weltcup – in Kitzbühel. Am Sonntag zählt er dort zu den Favoriten.

Kitzbühel - Manfred Mölgg patzte, Reinfried Herbst auch, dann gab’s kein Halten mehr: Wie von Usain Bolt gejagt stürmte ein Mann in den Zielraum, wo er überhaupt nichts zu suchen hatte. Aber kein Mensch wäre auf die Idee gekommen, Christian Neureuther auf dem Weg zu seinem Sohn aufzuhalten. Lange hielt er ihn in den Armen, der TV-Reporter japste ins Mirko: „Die haben alle Tränen in den Augen! Was für ein Rennen in Kitzbühel! Der Mythos lebt, und heute lebt er in Felix Neureuther.”

Drei Jahre ist das her. Felix gewann sein erstes Weltcup-Rennen – am selben Ganslern-Hang, an dem Vater Christian sein sechstes und letztes Weltcup-Rennen gewonnen hatte, 31 Jahre zuvor, 26 Hundertstelsekunden vor Ingemar Stenmark, Und dann gewinnt der Sohn ausgerechnet hier sein erstes Rennen, nach sieben Jahren ohne Weltcupsieg. Kein Wunder, dass ihm vor der Kamera die Erleichterung rausrutschte: „Hey, endlich hab' ich die Scheiße weg!”

Am Sonntag (13.15 Uhr, Eurosport) ist es wieder soweit: Felix Neureuther tritt beim Slalom in Kitzbühel an. „Es ist jedes Jahr immer wieder eine Herausforderung. Den Reiz, weil man es schon mal gewonnen hat, verliert es sicherlich nicht. Kitzbühel ist immer Mythos”, sagt er. Auch auf die Streif will er sich irgendwann wagen: „Das werde ich definitiv einmal machen. Das gehört einfach zu einem Skifahrer, der muss mal die Streif in Kitzbühel bezwungen haben.” Favorit wird er dann wohl kaum sein – ganz im Gegensatz zum Slalom, wo er nach dem Sieg in Wengen am vergangenen Wochenende zu den heißen Anwärtern aufs Podest zählt.

Das war vor drei Jahren anders: Das ewige Talent, Spross der Ski-Größen Rosi Mittermaier und Christian Neureuther, hatte fast schon den Glauben an sich verloren. Im Kampf gegen die Tränen stammelte er nur noch: „Ich hab' so lange gekämpft, war kurz vorm Aufhören, und dass das jetzt funktioniert! Und meine Eltern sind da!”

Das waren sie gar nicht so oft – um dem Filius nicht noch mehr Druck zu machen. Was der Papa bei der Umarmung im Ziel gesagt hat? „Dass es Wahnsinn ist. Dass ich das ausgerechnet hier schaffe und eine Gondel bekomme, das ist unfassbar.” Für den Vater ebenso: „Das macht so stolz, das kann man sich nicht vorstellen”, sagte der Senior, der fünf Jahre vor der Geburt des Sohnes in Kitzbühel gewonnen hatte.

Markus Wasmeier, der als TV-Experte im Ziel stand, erinnert sich: „Ich hab’ den Christian noch nie so emotional gesehen. Aber diesmal war er fast so schnell im Zielraum wie der Felix. Emotion pur, bei beiden. Das ist eine außergewöhnliche Geschichte.” Ein Sohn, der Vater und Mutter mehrfach als Siegläufer nachfolgt, das ist einzigartig im Weltcup. Dabei ist so ein Verhältnis Vater-Sohn nicht immer problemlos. Felix’ Eltern waren sich bewusst, dass ihre Kinder besonders beäugt würde – und erzählten ihnen nichts von ihren Erfolgen. „Bei uns stand kein einziger Pokal. Felix erfuhr von unseren Erfolgen zufällig von anderen Kinder, weil einer ein Olympia-Buch hatte und sagte: ,Schau, da is’ ja dei’ Mutter drin!’”, sagte Mama Rosi Mittermaier. Einfach mit dem Sohn zum Skifahren gehen, war schwierig: „Als Felix noch ganz klein war, wollte ich mit ihm an einem Kinderlift ein bissl probieren. Aber er wollte sofort richtig fahren, was nicht ging, weil ich keine Ski mithatte. Da hat er geschrieen. Eine Frau kam vorbei und sagte: ,Der arme Neureuther-Bub! Wird zum Skifahren gezwungen.’”

Der Sohn war und ist stolz auf seine Eltern, trotz der Bürde des Namens. Nur einmal war das schmerzhaft: „Als Kind bin ich mal gegen einen Zaun gefahren bin und hab’ geblutet. Ein Mann hat mir geholfen, aber als die Mama kam, ließ er mich fallen und rief: ,Mei, die Gold-Rosi!'” Die Eltern hielten den Nachwuchs bewusst kurz. „Von wegen Prominenten-Sohn! Ich war der einzige im Ort, der erst mit 18 einen eigenen Fernseher gekriegt hat”, so der Junior. Stress gab es beim Thema Schule: ohne Abi keine Ski-Karriere, hieß die Devise, die die Eltern durchzogen.
In die Karriere von Deutschlands bestem Skifahrer mischt sich vor allem der Vater ein: „Der Christian ist sehr dran am Felix”, sagt Wasmeier, „aber an Tochter Amelie genauso. Er ist mit Herzblut bei der Sache, unterstützt beide mit Haut und Haaren, manchmal ein bisschen zu viel.” Und Mama Rosi? „Wenn der Felix aufhören würde, das wäre nicht schlimm für sie”, glaubt Wasmeier. Ob die Eltern in Kitzbühel wieder dabei sind? „Es hängt vom Felix ab. Wenn er sagt: ,Kimmt’s!’, dann kommen sie gern. Aber wenn er sagt ,Bleibt’s dahoam!’, dann machen sie auch das.”

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.