Sonja Pfeilschifter: Scharf geschossen
Pfeilschifter hat als Sportschützin so ziemlich alles gewonnen – außer einer Medaille bei Olympia. Der Verband streicht sie aber für London in ihrer Weltrekord-Disziplin. „Total perplex“
LONDON Die erste Niederlage musste Sonja Pfeilschifter schon hinnehmen, bevor sie bei den Olympischen Spielen überhaupt an den Schießstand tritt. Sie darf am Samstag nicht mit dem Luftgewehr antreten. Der Deutsche Schützenbund (DSB) hat beschlossen, die mehrfache Weltmeisterin nicht zu nominieren, obwohl Pfeilschifter mit 505 Ringen sogar den Weltrekord in der Disziplin hält. So darf sie nur am 4. August im Kleinkaliber-Dreistellungskampf antreten.
Der Verband begründete das so: Pfeilschifter sei dem Druck bei Olympia – das Schießen ist zudem einer der ersten Wettbewerbe – nicht gewachsen. Tatsächlich hat Pfeilschifter bei vergangenen Olympischen Spielen trotz Favoritenrolle bisher keine Medaille gewonnen. Vielleicht liegt der Grund für der Nicht-Berücksichtigung auch darin, dass Pfeilschifter, die in Ismaning wohnt, eine eher unbequeme Sportlerin ist, eine die sagt was sie denkt und sich auch unter Druck nicht verbiegen lässt.
„Der Verband hat mir erklärt, dass er mir helfen und mich schonen wolle. Das ist schon eine exklusive Sichtweise der Dinge. Ich war total perplex. Schließlich habe ich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass ich mit Druck umgehen kann“, sagt Pfeilschifter der „Welt“. Was sie in den vergangenen Jahren aber eben auch getan hat: die Oberen im Schützenbund verärgert. Pfeilschifter schießt scharf – auch mit Worten und Taten. Betreut wird sie nicht etwa von einem deutschen Coach – sondern von Hubert Bichler.
Der Mann ist Trainer der Österreicher. Pfeilschifter sieht das so: Bichler passt am besten zu ihr. Der Verband sieht’s anders: Nämlich als Affront gegenüber dem eigentlichen Bundestrainer Claus-Dieter Roth. Die Entscheidung, Pfeilschifter nur im Kleinkaliber an den Schießstand zu lassen, hat den Druck für die 41-Jährige aber nicht unbedingt geschmälert. Der DSB erwarte eine Medaille von ihr, erklärte sie.
Dafür hat sie nun genau eine Chance. Es ist schon ein wenig erstaunlich, dass Pfeilschifter in ihrer Karriere eben genau bei Olympia ihre schwächeren Leistungen ablieferte – 1991 hat sie, damals noch als Juniorin, ihr erstes WM-Gold mit dem Luftgewehr geholt. Ab 1994 machte sie damit bei den Erwachsenen weiter, stand bei einem großen Wettbewerb nach dem anderen mindestens auf dem Treppchen, wenn nicht sogar ganz oben.
Neben dem Weltrekord mit dem Luftgewehr hält sie auch einen im Kleinkaliber 3x20 – aufgestellt zuhause, 2006 in München. Trotz aller Auseinandersetzungen hat der DSB Pfeilschifter mehrfach als Schützin des Jahres ausgezeichnet, 1998, 1999, 2000, 2006 – und zuletzt 2011, als der Konflikt zwischen dem Verband und der eigensinnigen Spitzensportlerin schon lange schwelte. Für Sonja Pfeilschifter geht es in London nicht nur um ihre erste Goldmedaille – sondern auch um Gerechtigkeit. Ihre Gerechtigkeit.
- Themen: