Sohn Felix: Hauptsache schmerzfrei!
AZ: Servus, Herr Neureuther, der Winter hat noch nicht mal richtig begonnen, schon gleicht das alpine Herren-Team in den Speed-Disziplinen einem Lazarett.
CHRISTIAN NEUREUTHER: Das deutsche Abfahrtsteam hat wirklich schon seit Jahren die Seuche. Ich denke da an Max Rauffer und an Flori Eckert, der den Abfahrtssport hätte dominieren können, wenn er sich nicht beim Riesenslalomtraining das Knie zerstört hätte.
Besonders schlimm hat's jetzt Tobi Stechert erwischt - der war gerade erst in die Weltspitze gefahren, jetzt fällt er mit einer Knieverletzung lange aus.
Für ihn tut's mir echt leid - der war so gut drauf! Er hatte schon zwei Kreuzbandrisse, jetzt ist seine Saison wahrscheinlich wieder vorbei. Es ist so deprimierend, sich immer wieder durch den Reha-Wahnsinn zu quälen. Aber der Sport ist nun mal so faszinierend, so einzigartig, dass sie alle so schnell wie möglich zurück auf die Rennpiste wollen.
Wird in Deutschland im Alpinbereich denn schlecht gearbeitet?
Im Gegenteil: im medizinischen, wissenschaftlichen und skitechnischen Bereich sind wir führend! Nicht umsonst kommen viele Rennfahrer aus anderen Nationen zu uns, um sich hier behandeln zu lassen. Ich behaupte, Christof Innerhofer (Italiener, d. Red.) hätte nie in Beaver Creek gewonnen, wäre er nicht bei Martin Auracher, Felix' Physiotherapeuten in Schliersee, gewesen.
Wie bitte? Ihr Sohn hilft dem Gegner?
Unter Rennfahrerkollegen ist das selbstverständlich. Der Felix hat schon viele seiner Konkurrenten hier nach Deutschland zu Ärzten und Physiotherapeuten gebracht – auch einen Reinfried Herbst, Manfred Pranger oder seine französischen Freunde. Das zeigt auch wieder den Zusammenhalt: Man hilft auch dem ärgsten Konkurrenten so schnell wie möglich auf die Beine. Das ist die richtige Einstellung!
Also ist das Verletzungspech auch kein hausgemachtes Problem der Deutschen?
Es ist zwar dramatisch, was im alpinen Skirennsport in Sachen Verletzungen abgeht - aber es ist keine deutsche Krankheit. Es ist die Faszination des Risikos in diesem Sport. Die Fahrer riskieren immer alles, aus diesem Grund muss durch die Verantwortliche Sicherheit gewährleistet sein. Zum Beispiel am Samstag beim Riesenslalom, da wurde aus nationalem Interesse wieder ein in meinen Augen zu schneller zweiter Durchgang gesteckt, obwohl man sich einig ist, das Tempo herausnehmen zu müssen.
Ein Thema ist die bessere Sicherung der Strecken.
Aber die „Birds of Prey", die Raubvogelpiste in Beaver Creek, kann man gar nicht viel langsamer machen! Da steht jedes Tor jedes Jahr an derselben Stelle, die ist einfach geographisch so beschaffen. Man könnte sie vielleicht ruppiger machen, nicht so schnell präpariert, aber das ist immer eine Gratwanderung. Es gäbe einfachere Möglichkeiten.
Die da wären?
Warum ziehe ich den Rennläufern nach wie vor diese hauchdünnen Rennanzüge an? Wieso sind die nicht gepolstert? Warum nicht winddurchlässiger, dicker, wärmer und dadurch langsamer?
Vielleicht, weil es dann nicht mehr so attraktiv aussieht.
Ach was! Wegen mir können Rennfahrer wie American-Football-Spieler aussehen, sieht doch cool aus! (lacht) Man muss sich nur mal die angeblich so verrückten Extremsportler bei den X-Games anschauen, bei denen komischerweise viel mehr Wert auf Schutzausrüstung gelegt wird. Und auf sowas springt doch auch die Jugend an!
Richtig attraktiv ist beispielsweise auch der Weltcup in München, der am Neujahrstag als Parallelslalom ausgetragen wird.
Da komme ich auf jeden Fall an den Olympiaberg und hoffentlich viele Münchner dazu. Das wird spektakulär, ein Highlight. Und der Felix liebt diese Art des Wettkampfes.
Wie geht's dem Felix denn?
Er schlägt sich natürlich auch permanent mit Verletzungen rum, ist jetzt aber alt genug, um mit seinem Körper richtig umzugehen. Es geht allen Skifahrereltern gleich, die Sorgen fahren bei jedem Durchgang mit. Die beste Nachricht ist dann, wenn Felix anruft und mitteilt, dass er schmerzfrei fahren konnte.
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