Interview

Slalom-Ass Straßer: Kritik am IOC

Linus Straßer ist Deutschlands erfolgreichster Slalomfahrer. Exklusiv in der AZ spricht der Münchner über die Olympischen Spiele 2022 in Peking - und wie er zum Thema Klimawandel steht.
von  Martin Wimösterer
"Nicht zu viel wollen": Linus Straßer will in dieser Saison, nach sehr erfolgreichem Vorwinter, konstanter in seinen Leistungen werden.
"Nicht zu viel wollen": Linus Straßer will in dieser Saison, nach sehr erfolgreichem Vorwinter, konstanter in seinen Leistungen werden. © dpa/KEYSTONE

München - AZ-Interview mit Linus Straßer: Der 28-jährige Münchner ist der beste deutsche Slalomfahrer, in der Vorsaison siegte er sensationell beim Rennen in Zagreb.

AZ: Herr Straßer, sitzen Sie schon auf gepackten Koffern für die anlaufende Saison oder sind Sie noch ganz entspannt?
LINUS STRASSER: Ich bin noch sehr entspannt und will das bis zum ersten Rennen beibehalten. Doch es geht schon wieder los: Vorige Woche waren wir beim Skifahren im Schnalstal, da fahren wir auch diese Woche wieder in. Dort sind gute Bedingungen. Es läuft ganz gut.

Also deutlich besser als vor einem Jahr. Da hatten Sie im Herbst mit einer Oberschenkelverletzung zu kämpfen.
Zumindest in der Theorie. Ich hatte letztes Jahr mit der Sehnen Probleme - und ich muss auch weiter darauf achten, dass es von der Quantität nicht zu viel wird.

"Das war einfacher als erwartet"

Hat Sie die Verletzung geerdet, weil Sie nicht mehr zu viel wollten, etwas lockerer zum Triumph in Zagreb kamen, Ihrem ersten Weltcupsieg?Das ist eine große Kunst im Leistungssport: Nicht zu viel wollen, es einfach laufenzulassen. In Zagreb oder auch in Adelboden, wo ich Zweiter geworden bin, da dachte ich mir im Anschluss: Das war einfacher als erwartet. Es war in Wirklichkeit natürlich nicht leicht, einen Weltcup muss man auch erst mal gewinnen. Aber ich hatte es geschafft, es passieren zu lassen. Das ist eine Gratwanderung und auch in der kommenden Saison geht es darum, die Balance zu finden.

Hat sich durch den Sieg in Zagreb etwas für Sie verändert?
Die Außenwahrnehmung ändert sich definitiv. Das ist sicher das Schöne, aber auch das Harte: Dass ich in Adelboden Zweiter wurde, das haben viele Leute gar nicht im Kopf, obwohl die Leistung ähnlich war. Ich bin wahrscheinlich auch schon bessere Rennen gefahren, in denen die Resultate nicht die gleichen waren.

"Habe das Gefühl, dass im Moment eine komische Stimmung herrscht"

Was sind Ihre Saisonziele?
Am Schluss gilt es, sich auf den Lauf des Tages zu fokussieren. Ich kann nicht den Lauf der anderen beeinflussen, nur die eigene Leistung. Ich will konstanter werden.

Die Außenwelt ausblenden, auf das konzentrieren, was man selbst beeinflussen kann - interessieren Sie sich für die Philosophie der Stoiker?Philosophie ist etwas Schönes. Natürlich zählen am Schluss die harten Fakten - Resultate.

In dieser Saison finden die Olympischen Spiele statt. Wie ist das bei Ihnen?
Ich bin total zwiegespalten. Ich freue mich auf Olympia. Aber ich habe das Gefühl, dass im Moment eine komische Stimmung herrscht. Ich habe das Gefühl, jeder will zu Olympia, aber niemand zu Olympia in China. Das macht es eigenartig. Ich bin auch keiner, der sagt: Ich muss unbedingt zu den Olympischen Spielen. In Pyeongchang 2018 war ich schon dabei, das waren meine ersten Spiele. Ich hatte sie mir anders vorgestellt. Das war nicht der olympische Gedanke, wie ich ihn mir als Junge vorgestellt habe. Das IOC muss etwas ändern. Es muss sich darauf besinnen, um welche Werte es geht. Nicht auf "immer größer und pompöser", sondern auf die Werte.

Es geht um den Athleten.
Und um das Zusammenkommen der Nationen, die ein Sportfest feiern. Aber wenn ich sehe, was alles im Vorfeld organisiert werden muss und läuft - es ist nicht mehr das Gleiche.

Das Münchner Slalom-Ass Linus Straßer.
Das Münchner Slalom-Ass Linus Straßer. © picture alliance/dpa

"Ohne Kunstschnee kann unser Sport nicht mehr stattfinden"

Meinen Sie das Impfthema?
Das ist dazugekommen. Und wenn ich lese, dass der DSV mit dem BND Kontakt aufgenommen hat, worauf man wegen Spionage achten muss... Oder dass Betreuer nicht mehr in den "inner circle" rein dürfen.

Wie stehen Sie zur Forderung, die etwa Felix Neureuther erhob, wonach sich auch die Skiwelt stärker gegen den Klimawandel engagieren muss?
Ich stehe hinter vielen Sachen, nur müssen sie auch Hand und Fuß haben. Klimawandel, Genderneutralität - oft sind das nur Schlagworte, Augenwischerei. Ich bin dabei, dass was geändert werden muss. Aber ein banales Beispiel: Sollte es, um den Klimawandel zu bekämpfen, eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf den Straßen geben, behebt dies das Problem nicht wirklich. Ein alternativer Verkehrsträger müsste so viel mehr Vorteile bieten, dass man gar nicht mehr mit dem Auto fahren will.

Wie fährt es sich auf Kunstschnee?
Es ist definitiv ein anderer Schnee, ganz anders zu fahren. Ohne Kunstschnee kann unser Sport aber nicht mehr stattfinden - eine Rennpiste auf Naturschnee würde der Belastung nicht standhalten und damit auch keine Chancengleichheit mehr bieten. Aber ich bin dabei: Gletschertraining im Hochsommer für Kinder - muss das sein? Training in Übersee? Aber wie reglementiert man das? Ich bin im Vorjahr eineinhalb Monate später in die Saison eingestiegen, das geht. Dass es im Skisport Anpassungen geben muss - ja. Aber das muss Hand und Fuß haben.

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