Skurrile Schach-Fehde zwischen Carlsen und Niemann
Bisher war José Mourinho, das Enfant terrible unter den Fußball-Trainern, nie mit der Schach-Welt in Verbindung gebracht worden. Das änderte sich vor zwei Wochen, als ein Skandal begann, wie ihn die Schachwelt seit 1972 um Bobby Fischer nicht hatte.
Skandal in der Schach-Welt
Auslöser des ganzen Trubels im Konzentrationssport war ein Rückzug des Schach-Genies Magnus Carlsen (31) von einem Turnier - oder viel mehr das Video, das er ans Ende des Tweets setzte. Darin sagt Mourinho: "Ich bevorzuge es, nicht zu reden. Wenn ich spreche, kriege ich große Probleme. Und ich möchte keine kriegen."
Dieses kryptische Statement hinterließ mehr Fragen, als dass es welche beantwortete. Und nach dem Skandal von St. Louis bot der norwegische Großmeister mit einer weiteren skurrilen Aktion den nächsten Spekulationsnährboden. In einem Online-Turnier namens "Julius Bär Generation Cup" zog er mit Schwarz zuerst den Springer von g8 auf f6. Vor seinem zweiten Zug loggte er sich aus. Der beste Spieler der Welt gab nach wenigen Sekunden einfach auf.
Er gibt schon nach wenigen Sekunden auf
"Das ist ein absolutes Novum für einen Spieler auf diesem Niveau", sagte Wolfgang Galow von der Schachabteilung des FC Bayern. "Warum er aufgegeben hat, darüber gibt es nun Spekulationen."
Die große Gemeinsamkeit zwischen dem Turnierabbruch und der Blitz-Aufgabe im Online-Turnier am Montag: der Gegner. Hans Niemann, 19 Jahre, US-Amerikaner, Kaugummi im Mund, tiefe Augenringe, Struwwelpeter-Haare. Auf seinem Instagram-Profilbild zieht er an einer glühenden Zigarre.
Was ist da los in der Schach-Welt? Carlsen macht den Mourinho und sagt nichts. Einige Kollegen wie der niederländische Star Anish Giri sehen den einzigen denkbaren Grund für den doppelten Rückzug darin, dass der Weltmeister Niemann des Betrugs verdächtigt.
Tatsächlich ist Niemann vor einiger Zeit mal bei Online-Spielen in diese Richtung aufgeflogen - und hat das Schwindeln auch eingeräumt: "Das war der größte Fehler meines Lebens!" In St. Louis aber war er wohl von keinem Computer unterstützt worden. Das zeigen Untersuchungen, laut Galow haben sich auch die deutschen Spitzenspieler damit befasst - mit negativem Ergebnis. Niemann streitet die Vorwürfe ebenfalls ab.
Auch Elon Musk mischte sich ein
Doch der Online-Pranger der Szene hatte schnell Theorien parat. Es ging so weit, dass Niemann vorgeworfen wurde, ein Sexspielzeug für den Betrug herzunehmen: Drahtlos zu steuernde Analperlen, die den nächsten Zug durch Vibration mitteilen würden. Eine Theorie, die dann auch Tesla-Chef Elon Musk vorübergehend teilte.
Niemann wehrte sich gegen diese Theorie ebenso und meinte in der britischen Zeitung "Evening Standard": "Ich habe noch nie bei einer Partie am Brett betrogen. Wenn sie wollen, dass ich mich komplett ausziehe, werde ich das tun. Ich bin sauber."
Auch bei dem Online-Turnier wäre ein Betrug schwierig gewesen. Die Organisatoren haben Einblick in die Bildschirmaktivitäten der Spieler und eine extra Kamera. Zudem müssen die Spieler ihre Ohren vorzeigen, um Verstößen - etwa Ohrstöpsel unter den Struwwelpeter-Haaren - vorzubeugen.
Hat Carlsen also Beweise? Oder wie erklärt er sonst sein Verhalten? Eine Strafe wegen "möglicher Rufschädigung" (Verhaltenskodex Punkt 11.6 des Weltverbandes FIDE) droht dem Weltmeister wohl nicht, sagte Ralph Alt, Vizepräsident des Deutschen Schachbundes, der AZ: "Ich bin ein alter Strafrechtler - und der hält es für zu vage."
Betrugsvorwürfe hat es im Schach immer wieder gegeben. Daran beteiligt waren auch Topspieler wie Wladimir Kramnik. Durch die Online-Spiele, die gerade zu Corona-Zeiten Beliebtheit erfuhren, fällt Kontrolle schwerer.
Auch bei deutschen Turnieren gab es Vorwürfe. Einmal wurde ein Spieler erwischt. Der Betrüger hatte, sagt Alt, schlichtweg vergessen, dass ihn die Schiedsrichter beobachteten.
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