Interview

Skistar Andreas Sander: "Jetzt will ich noch mehr"

Der Vize-Weltmeister in der Abfahrt erzählt der AZ, wie er den ersten Podestplatz nach 13 Jahren im Weltcup erlebt hat, was ihn antreibt und warum die WM-Medaille bei ihm nicht ins Wohnzimmer gehört.
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Der Westfale Andreas Sander (31) gewann WM-Silber und lebt mit der Familie in Oberstdorf.
Der Westfale Andreas Sander (31) gewann WM-Silber und lebt mit der Familie in Oberstdorf. © Michael Kappeler/dpa

AZ: Herr Sander, am Mittwoch steht beim Weltcup-Finale in Lenzerheide die letzte Abfahrt an, am Donnerstag noch der Super G. Geht man mit WM-Silber anders ins Rennen?
ANDREAS SANDER: Och, gar nicht so viel anders. Die ersten Rennen nach der WM waren nicht so erfolgreich, gar nicht von den Ergebnissen - ich war ja Achter im Super G -, aber körperlich und skifahrerisch war es nicht die Leistung, die ich von mir selber erwarte und die ich auch zeigen kann.

Schon im nächsten Rennen bringt die Sibermedaille nichts mehr, so Sander

Woran lag's?
Ich habe materialtechnisch ein bisschen was probiert, auch die Form war nicht so auf den Punkt da. Ich hatte schon gehofft, dass mir das jetzt ein bisschen leichter von der Hand geht. Aber das wusste ich auch schon davor: Ich muss mir wie sonst auch jeden Tag und jedes Rennen wieder erarbeiten. Die Medaille ist zwar schön, ich denke auch gern daran zurück, aber schon im nächsten Rennen bringt mir das nix. Es geht nicht von allein, dazu ist das Feld einfach zu stark. Klar gibt es mehr Selbstbewusstsein, aber auf den Skiern merke ich keinen Unterschied.

Ist nicht eine riesige Last von Ihnen abgefallen?
Ich wollte immer einen Podestplatz. Eine Medaille bei einem Großereignis zu erreichen, war ein Lebenstraum - aber deswegen bin ich längst nicht fertig. Deswegen will ich jetzt noch mehr: wieder aufs Podest im Weltcup und beim nächsten Großereignis wieder um eine Medaille kämpfen. Das Selbstbewusstsein, dass ich's drauf habe, muss ich jetzt in meinen Gedanken verankern.

"Nur auf das Podest zu warten, ist keine Alternative"

Seit 13 Jahren fahren Sie im Weltcup, waren 24 Mal in den Top Ten, allein in dieser Saison neun Mal - und immer fehlte das berühmte Quäntchen fürs Podium. Wie sind Sie damit umgegangen?
Ich war an diesen Tagen halt immer einen Ticken zu schlecht fürs Podest, habe ein paar Sachen nicht gut genug gemacht. Das war auch der Grund, warum es jetzt geklappt hat: Ich musste einfach ein bisschen besser werden. Und ich wusste: Wenn ich das schaffe, wird's irgendwann klappen. Nur auf das Podest zu warten, ist keine Alternative. Im Sommer habe ich versucht, mich in allen Bereichen noch mal zu verbessern - so wie ich das im nächsten Sommer auch wieder machen werde. Weil ich überall noch besser werden kann.

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Und dann braucht es diesen Lauf, bei dem alles aufgeht . . .
Ich habe mich aber auch gut auf dieses Großereignis vorbereitet, so wie ich es ja meistens schaffe, beim Saisonhöhepunkt meine Bestleistung abzurufen.

Sander hält die WM-Silbermedaille in Cortina in den Händen

Im Ziel in Cortina war Ihnen lange nicht nach jubeln zumute. Wann haben Sie realisiert, dass Sie Silber haben?
Rational ging das recht schnell. Man sieht ja die Anzeigetafel, gibt sehr viele Interviews, ist bei der Siegerehrung. Gefühlstechnisch hat das aber doch gedauert. Noch während des Rennens habe ich die Gefühle sehr lange sehr stark unterdrückt - weil ich es zunächst nicht wahrhaben wollte. Als sich dann alle Freunde und die Familie gemeldet haben: Das war nochmal eine ganz andere Nummer wie sonst. Über die Sozialen Medien hatte ich noch nie so viel Reichweite. Überall kam's im Radio - da merkt man dann so langsam, was man erreicht hat.

Abfahrts-Ass Andreas Sander präsentiert seine WM-Silbermedaille.
Abfahrts-Ass Andreas Sander präsentiert seine WM-Silbermedaille. © Michael Kappeler/dpa

In den Gesamtwertungen der Speed-Disziplinen liegen Sie mit Rang sechs und zehn so gut wie noch nie zuvor. Was haben Sie in dieser Saison anders gemacht?
Nicht viel. Die letzte Saison war ja eine Comeback-Saison nach dem Kreuzbandriss. Da hat mir die letzte Grundgeschwindigkeit gefehlt. Nach jeder Saison setze ich mich mit den Coaches zusammen und wir stellen uns gemeinsam die Frage: ‚Was kann ich tun, um besser zu werden?' Danach weiß ich genau, was zu tun ist. Dieser Prozess geht nun schon über ein Jahrzehnt. Wäre natürlich schön, wenn ich das noch ein paar Jahre toppen könnte - aber das wird jetzt zum Glück immer schwieriger.

Sander lobt vor allem seine Trainer: Mathias Berthold und Christian Schwaiger

Arbeiten Sie mit einem Mentaltrainer oder machen Sie das mit sich selbst aus?
Sowohl als auch. Ich hole mir schon Tipps, aber heutzutage ist das ja alles so leicht zugänglich. Ich beschäftige mich schon mit mentaler Gesundheit, Visualisierung, Konzentration, Gedanken-Mindset, lese auch viele Bücher dazu. Das interessiert mich einfach extrem, hauptsächlich sogar fürs Privatleben. Menschen, die im Beruf extrem erfolgreich sind, sind total fokussiert und diszipliniert, auch was das Zeitmanagement angeht. Das sind extrem wichtige Themen heutzutage. Es geht gar nicht mehr ohne, es hat aber nichts mit ‚Ängste überwinden' zu tun. So wie man körperlich und technisch besser werden kann, kann man auch in der Konzentration besser werden. Es wäre sehr fahrlässig, dieses Thema außen vor zu lassen.

Wenn es um DSV-Bilanzen geht, wird stets das breit aufgestellte Speed-Team gelobt. Schwärmen Sie doch mal von Ihrer Truppe!
Als einer, der das sehr viel miterlebt hat, kann ich sagen: Der größte Wechsel kam mit Mathias Berthold als Cheftrainer und Christian Schwaiger als Abfahrtstrainer. Die beiden haben uns ein bisschen wachgerüttelt - weil wir Athleten zu der Zeit einfach zu wenig an uns geglaubt haben. Wir hatten es nicht für möglich gehalten, dass wir Deutsche in die Top 15 fahren können, hatten als Fernziel immer Top 30. Sie sagten uns: ‚Ihr habt viel zu geringe Ziele!' Und: ‚Ihr müsst an euch glauben!' Am Ende zählt nicht das Ziel, sondern der Weg da hin. Mit den Trainern haben wir wirklich jede Stellschraube nachgedreht.

Fühlt sich im Ski-Team pudelwohl: Andreas Sander

Zum Beispiel?
Material, Anzug, Skitechnik, Ski- und Wachs-Tests, Kondition. Wir haben früher auch viel trainiert und waren fleißig - aber jetzt trainieren wir anders, in manchen Phasen sogar weniger, weil wir wissen, dass wir uns da schonen müssen. Manchmal fühlt man sich nicht körperlich, sondern geistig leer, obwohl man es gar nicht so spürt. Da haben unsere Trainer ein extrem gutes Feingefühl. Und von Andreas Evers (DSV-Speedtrainer, Anm. d. Red.) habe ich nun nochmal dazugelernt. Da muss ich gar nicht extra schwärmen - in dem Team macht's richtig Spaß!

Erst recht wenn die Arbeit mit Edelmetall belohnt wird. Wo bewahren Sie Ihre Silberne auf?
Die liegt noch in der Holzschachtel, die wir in Cortina dazu bekommen haben und wandert dann in mein Sportzimmer, wo ich immer meine Home-Workouts mache. Im Wohnbereich möchte ich meine Trophäen nicht sammeln. Das will ich dann aus dem Blick haben.

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