Skigenuss zwischen Strudel und Tiramisu

Obereggen - Am Latemar treffen sich Südtirol und Trentino, auch kulinarisch. Familien und Genussskifahrer schätzen die vielen gepflegten Abfahrten, und Romantiker freuen sich zum Apres-Ski, wenn die Dolomiten zu glühen beginnen
Josef Gummerer ist ein Zauberer im Schnee. Der Südtiroler braucht dazu keinen Zauberstab, sondern nur ein paar Schneekanonen. Mit denen geht er freilich so virtuos um, dass der Latemarer Pistenpräparator von einer Fachjury im vergangenen Jahr unter 26 Skigebieten der gesamten Alpen zum "Beschneiungsmeister des Jahres" gekürt wurde. Seine Künste zu zeigen, dazu hat Gummerer im Skigebiet Rosengarten-Latemar reichlich Gelegenheit. Das Hochplateau unter dem imposanten Dolomitenmassiv ist nämlich eines der sonnenreichsten in den Alpen. 20 flotte Autominuten von Bozen entfernt ragt der Latemar in den Himmel, und zu seinen Füßen verläuft die Grenze zwischen Südtirol und Trentino.
Das verleiht dem Skigebiet einen besonderen Charme, ergibt sich doch – vor allem auch kulinarisch – eine attraktive Melange aus deutschen und italienischen Wintergenüssen. Die Hütten sind auf Deutsch noch eine „Stube“ oder „Alm“ und man bestellt einen deftigen Strudel. Auf Italienisch steht „Baita“ oder „Refugio“ über dem Türrahmen – und als Nachtisch gibt es Tiramisu. Und während man im Startort Obereggen mit der Kabinenbahn zur „Ochsenweide“ auffährt, wedelt man auf Trentiner Seite über die neu angelegte Schwarze Piste „Torre di Pisa“ (Turm von Pisa) in den Skiort Predazzo hinab.
Unterm Latemar kommen vor allem Genuss-Skifahrer zum Zug. Die Pisten sind anspruchsvoll, aber nicht allzu steil, oft viele Kilometer lang, weit verzweigt und führen teilweise durch Wald und verträumte kleine Lärchen-Lichtungen. 46 Kilometer Skipisten verkraften bis zu 36000 Personen in der Stunde. Anstehen ist hier ein Fremdwort. Wer immer nur skifährt, verpasst trotzdem etwas: die vielen Hütten.
Einkehrschwung in der "Mountain Riviera"
Einer der Magnete ist ab dem frühen Nachmittag die „Baita Gardoné“: Dort kommt man sich vor wie in einem Mailänder Straßencafé nach Büroschluss oder wie in einer lebhaften Strandbar, wäre da nicht der meterhohe Schnee. Mit fetziger Lounge-Musik heizt ein Outdoor-DJ den Gästen ordentlich ein. Mindestens jeder zweite hat in der Hand ein Glas orangefarbenen „Veneziano“, den italienischen In-Drink aus Aperol und Prosecco. Beliebt ist auch „Bombardino“ – heißer Eierlikör mit Sahnehäubchen. Der Stimmung nach haben die meisten der Gäste hier bereits den zweiten oder dritten Drink intus und swingen und grooven zwischen den braunen Loungemöbeln und den Kunststoffpalmen hin und her. „Wir sind hier schon stark auf das italienische Publikum eingestellt“, erläutert Hüttenwirt Klaus Pichler, der sein Refugium auch bedeutungsvoll „Mountain Riviera“ nennt. „Damit es für die Gäste abwechslungsreich bleibt, haben wir insgesamt elf Disc-Jockeys beschäftigt, die alle ganz unterschiedliche Musik auflegen.“
Wem Musik und Stimmung auf der Baita Gardoné zu soft sind, der zieht zwei, drei Lifte weiter Richtung Obereggen auf die „Garnischger Alm“. Hier schwingt Pichlers Bruder Georg, genannt „Schicky“, das Zepter und pusht als Chef-DJ die Musikanlage und seine Gäste zu Stimmungsrekorden. Schon ab Mittag laufen dort die härteren Stücke von Luder-Lala bis ACDC-Rock – und am Tresen stehen Red Bull Wodka und andere scharfe Sachen.
Rodeln auf der Piste und auf Schienen
Keine 50 Meter von der „Gardoné“ liegt der Bahnhof des „Alpine Coaster“. Das ist eine Art Selbstfahrer-Achterbahn mit eingebauter Mutprobe. Erst nach dem zweiten oder dritten Veneziano trauen sich offensichtlich viele Hüttengäste, den rasanten Schlitten zu besteigen. Mit skeptischem Blick begeben sie sich auf die kurvenreiche Fahrt. Doch es ist alles halb so wild. Der Rennschlitten ist fest auf der Schiene verankert und die Bremsen funktionieren gut.
Aber auch echtes Rodeln hat in Obereggen viele Freunde. Die erneuerte, zweieinhalb Kilometer lange Rodelbahn ist beschneit, inzwischen an drei Wochentagen (Di, Do, Fr) von 19 bis 22 Uhr beleuchtet und hat einen abgesicherten Bereich für Fußgänger. Einer ihrer größten Fans ist übrigens Georg Weissensteiner, Präsident des Tourismusverbandes, der so oft wie möglich mit seinem Rennrodel in rekordverdächtigem Tempo gen Tal saust. Kein Wunder, der Pistenauslauf endet fast vor der Haustüre seines Hotels Sonnalp. „Das ist eine unheimlich lebendige Sache und auch für jemand in meinem Alter ein ungefährlicher Spaß“, schwärmt der 67-jährige.
Hoch her geht es im Snowpark. Dort können sich Boarder, Rider und Freestyler abseits der Pisten austoben. Und damit sie ihr Metier auch beherrschen, bietet die Skischule Obereggen wie die gesamte Dolomiti-Superksi-Region für 49 Euro pro Tag einen speziellen Freestyle-Einsteigerkurs an. Jeden Montag bei der „Night-Show“ können sich die Gäste dann mit den besten Freestylern aus der Region messen.
Familien urlauben besonders günstig
Die kleinsten Skiasse werden im „Brunoland“ betreut, einem Erlebnispark mit Förderband, Hüpfburg, Karussell, Zauberwelle und rollendem Schneeteppich. Fünfzig Prozent Skipassermäßigungen für Kinder und Jugendliche unter zwölf Jahren gibt es den ganzen Winter über. Während der „Ski Special for Kids“-Zeit vom 20. März bis Saisonende urlauben Familien besonders günstig. Kids unter acht Jahren zahlen in Hotels nichts für die Unterkunft und Kinder unter zwölf Jahren nur die Hälfte. Erwirbt mindestens ein Erwachsener einen Mehrtages-Skipass, fahren die Kinder bis acht Jahren in dieser Zeit kostenlos mit. Voraussetzung ist eine Woche Aufenthalt.
Service Rosengarten-Latemar
Anreise: Per Auto über die Brennerautobahn, Ausfahrt Bozen Nord. Entfernung ab München 296 km/3 h, ab Nürnberg 460 km/5 h. Mautkosten 26 Euro, Zehntagesvignette Österreich 7,70 Euro. Per Bahn über den Brenner zum Hauptbahnhof Bozen (Europa-Spezial München – Bozen ab 19 Euro!), von dort knapp 30 Minuten mit dem Linienbus. Viele Gastgeber bieten einen Abholdienst von Bozen. Die Mobilitätszentrale in Bischofshofen hilft unverbindlich bei der Planung der Bahn-Anreise. Infos unter: info@mobilito.at oder 0043/6462/33030-34. Gebietsinfos: Tourismusverband Rosengarten-Latemar, Tel: 0039/471/610310, www.rosengarten-latemar.com.
König Laurins schönste Alm
Ruhe vom Obereggener Skitrubel bietet das benachbarte Skigebiet Karersee-Carezza. Unter den Zacken des Rosengartens, wo Zwergenkönig Laurin der Sage nach seinen Schatz versteckte, zuckeln noch rote und gelbe Zweiergondeln gemächlich der Bergstation entgegen. Und der Schatz lässt sich auch finden: Es ist Max Seehausers urgemütliche Fallmur-Alm unweit der Talstation. Max' Spezialität sind frisch gegrilltes Gemüse sowie „Boscaiola“-Holzfällernudeln (8 €), eine Reminiszenz an seine Jugendzeit. „Wir haben uns halt das gekocht, was wir hatten: Speck und Pilze waren immer zur Hand, die haben wir angebraten und dann über die Nudeln gegeben.“
Es lohnt sich wirklich, hier länger zu verweilen. Denn in der Küche zaubert Sohn und Spitzenkoch Michael ausgefallene Köstlichkeiten auf den Teller und die gerade mal vier Tische: Garnele im Speckmantel gebraten auf Meerettich-Sahne, Sprossen und Ronen-Mus (selbst gezogene Rote Beete). Danach ein Apfelcreme-Süppchen mit orientalischen Gewürzen, gefolgt von leicht gebratenem Thunfischfilet mit vegetarischem Kaviar aus Süßkartoffeln, Limetten, Ingwer und Koriander. Dann Schwertfisch-Carpaccio mit in Zitronensaft eingelegten spanischen Zwiebeln und schmackhaften Kapern, die nur auf Pantelleria wachsen, einer kleinen Insel südlich von Sizilien sowie einem köstlichen „Suluri“ – Carpaccio von der Tintenfischtube mit Räucherlachsfüllung an Weißwurstsenf-Dressing vom Händlmaier – „den habe ich bei meiner Lehrzeit im Münchner Lenbach-Palais kennengelernt“ so Michael stolz. Bei soviel Hochgenuss verwundert es nicht, dass auch Gäste wie Ski-Ass Alberto Tomba oder Rockbarde Zucchero auf der Fallmuralm regelmäßig den Einkehrschwung nehmen.sie
Heiner Sieger