Skichef Waibel sucht einen kleinen Ribéry

Karlheinz Waibel sagt, er sei kein Masochist. Der neue Chefcoach der erfolglosen deutschen Skifahrer will das Sieger-Gen finden. Er nimmt Anleihen beim Fußball – und beim Herminator.
von  Abendzeitung
Um Christian Neureuther herum will DSV-Cheftrainer Karlheinz Waibel die Olympia-Mannschaft aufbauen.
Um Christian Neureuther herum will DSV-Cheftrainer Karlheinz Waibel die Olympia-Mannschaft aufbauen. © dpa

Karlheinz Waibel sagt, er sei kein Masochist. Der neue Chefcoach der erfolglosen deutschen Skifahrer will das Sieger-Gen finden. Er nimmt Anleihen beim Fußball – und beim Herminator.

AZ: Herr Waibel, Cheftrainer der chronisch erfolglosen deutschen Alpin-Männer, warum haben Sie sich das angetan? Aus Lust am Leiden?

KARLHEINZ WAIBEL: Um Himmels Willen! Masochistisch war ich noch nie. Mir macht die Aufgabe Spaß. Eine Herausforderung, etwas zu bewegen, unsere Burschen nach vorne zu bringen. Das dauert, aber mir ist schon klar geworden, wo das Hauptproblem liegt.

Nämlich?

Uns fehlt das Sieger-Gen. Die Läufer müssen endlich wieder den unbedingten Willen haben, sie müssen sich als Rennläufer sehen. Als mündige Athleten. Sie dürfen sich nicht immer beklagen, dass Entscheidungen über ihren Kopf hinweg getroffen werden, sie müssen sich dann halt auch einmal als erwachsene Menschen mit einer gewissen Reife zeigen, denen man Entscheidungen zutraut. Immer nur zartes Klima und Kuschelpackung hilft da nichts.

Dann greifen Sie also mit harter Hand durch?

Nein, ich versuche nur, ihnen das Selbstvertrauen zurückzugeben. Ganz bezeichnend war für mich ein Gespräch, das ich einmal mit dem Vater von Stefan Stankalla hatte, dem früheren Abfahrer. Der hat erzählt, dass sein Sohn in der Jugend stinksauer war, wenn er ein Rennen gewonnen hatte, der Abstand zum Zweiten aber nicht groß genug war. Später war das dann anders. Als der Stefan Weltcup fuhr, kam er heim und sagte nach einem 45. Platz, dass er zufrieden sei mit seiner Leistung. "Ja spinnt's Ihr eigentlich", hat der Papa mir dann gesagt, "was habt's Ihr aus meinem Buam g'macht"? Da habe ich gemerkt, dass die Siegermentalität bei uns leider verloren gegangen ist.

Ganz ehrlich, richtig gut sind sie ja nicht, Ihre Männer, außer Felix Neureuther.

Sicher, der Kern der Olympia-Mannschaft besteht bisher ja nur aus dem Felix. Aber das ist ja auch ein Punkt. Wir müssen wieder als Mannschaft zusammenwachsen. Bei einer Trainersitzung habe ich neulich Sönke Wortmanns „Wunder von Bern" gezeigt, weil ich die Situation der 54er-Fußballer mit unserer vergleiche. Denen hat keiner was zugetraut, dann sind sie Weltmeister geworden. Wir müssen einen Teamgeist schaffen. Beim FC Bayern heißt das 'mia san mia' – sowas brauchen wir auch.

Aber Ihnen fehlt ein genialer Künstler, ein Superstar wie Franck Ribéry, den der FC Bayern mal eben für 25 Millionen kaufen konnte. Das können Sie nicht.

Sicher, aber ich glaube an die Jungs. Vielleicht steckt ja in dem ein oder anderen ein kleiner Ribéry drin – und den wollen wir herauskitzeln.

Sehen Sie noch andere Vorbilder für Ihr Team?

Den Hermann Maier zum Beispiel. Er hat bei seinem Rücktritt viele kluge Dinge gesagt. Dass es nicht reicht, Talent zu sein, sondern dass gerade ein Talent verpflichtet sein muss, sich alles zu erarbeiten. Wer meint, dass es reicht, Talent zu haben oder eins zu sein, aus dem wird nix. Der Hermann hat sich auch alles erarbeitet. Es kann viele Vorbilder für uns geben.

Auch Christian Scholz, Ihren schwer verunglückten Vorgänger?

Ganz besonders er. Nach seinem schweren Radunfall vor eineinhalb Jahren hat ihm kaum einer der Ärzte die Prognose gegeben, dass er je wieder auf seinen Beinen einen Kilometer gehen kann. Jetzt hat er es geschafft, nicht so weit, dass er wieder Trainer sein könnte. Aber nach vielen Monaten im Krankenhaus kann er wieder gehen. Er hat gezeigt, was mit Willen erreichbar ist. Er hat sein Leben wieder zurückgewonnen, für ihn war das wie ein Olympiasieg.

Interview: Florian Kinast

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