Ski-Stadionsprecher über Holzfiguren als Zuschauer: "Sie meckern nicht"
AZ: Signore Clara, wenn Sie im Zielraum der Saslong-Abfahrt zu Gröden bei der Arbeit sind, hören Ihnen in der Regel 15 000 Menschen zu. In diesem Jahr sind keine Zuschauer erlaubt. Wie ist es nun, so ins Leere hinein zu moderieren?
DIEGO CLARA: Ganz leer ist es ja nicht. Entlang der Strecke sind rund 400 Freiwillige im Einsatz. Die hören mit, denn ein Teil der Piste ist beschallt. Denen wäre ja langweilig, wenn sie nur die Stille und das Vorbeirauschen der Athleten hören würden. Deswegen sehe ich es auch als meine Aufgabe, die Ansässigen und die Freiwilligen auf der Piste irgendwie zu unterhalten.
Diese Sprachen kommen zum Einsatz
Das Rennen findet in Südtirol statt - in welcher Sprache reden Sie?
Normalerweise sind wir im Sprecherteam zu dritt im Zielraum plus ein weiterer oben bei den Kamelbuckeln. Wir wechseln uns bei den Sprachen ab, spielen ein bisschen miteinander, was natürlich viel schöner ist. Aber heuer braucht es nur einen Sprecher, und da hat man mich genommen, weil ich alle Sprachen auf einmal spreche.
Die da wären?
Deutsch, Italienisch, Englisch, ein paar Brocken Französisch, Spanisch und Russisch. Und bis fünf kann ich auch auf Norwegisch zählen.
Sie sprechen diesmal mehr für die Fahrer als für die nicht vorhandenen Fans.
In diesem Fall schon. Wobei man ja nicht weiß, wie sehr die überhaupt zuhören in ihrer Konzentration oder ihrer Erschöpfung. Aber die verschiedenen Sprachen geben halt ein bisschen Farbe.
Holzfiguren ersetzen Fans
Statt Pappkameraden stehen auf den Tribünen im Ziel 25 lebensgroße Holzfiguren. Wo kommen die denn her?
Die wurden 2005 von den Grödner Bildhauern der Künstlervereinigung Unika aus Lindenholz geschnitzt, nachdem man Fans bei Sportveranstaltungen fotografiert und dann nachempfunden hat. Einige sind enthusiastisch, andere traurig, desinteressiert, konzentriert, aus dem Häuschen, erschüttert, enttäuscht - wie halt Sportfans so sind. Ein Polizist mit Schäferhund ist dabei, auch Kinder mit so Cheerleader-Puscheln. Sehr originell.
Figuren waren schon bei der Fußball-WM im Einsatz
Heißt die Figuren waren nicht nur an der Saslong zu Gast?
Sie waren schon im Pressezentrum bei der Fußball-WM in Deutschland ausgestellt, dann im Stadion San Siro in Mailand bei wichtigen Spielen, bei der Expo in Mailand, in freier Natur beim fünfjährigen Jubiläum der Dolomiten als Unesco-Welterbe. Sie sind also öffentlichkeitserprobt. In diesem Fall aber wurden sie zu Rettern in der Not in der eigenen Heimat. Als Stadionsprecher muss ich sagen, sind sie gar nicht so übel, denn sie meckern nicht über das, was ich so erzähle und sind immer sehr stabil in ihrem Gemütszustand. Ich würde mich aber trotzdem viel mehr an echtem Publikum erfreuen.
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