Skandal um Williams: "Ich schiebe dir einen dieser Bälle in den Hals"

Serena Williams beschimpft eine Linienrichterin und verliert das Halbfinale bei den US Open gegen Kim Clijsters durch einen Strafpunkt.
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Serena Willliams beschimpft und bedroht die verängstigte Linienrichterin.
Imago Serena Willliams beschimpft und bedroht die verängstigte Linienrichterin.

NEW YORK - Serena Williams beschimpft eine Linienrichterin und verliert das Halbfinale bei den US Open gegen Kim Clijsters durch einen Strafpunkt.

Es war kurz nach 23 Uhr am Samstagabend, als der nervtötende Grand Slam-Tag von Flushing Meadow mit einem häßlichen Black-Out endete. Es war der groteske Moment, in dem Serena Williams zu einer Linienrichterin schritt, wild mit dem Racket vor ihrem Gesicht herumfuchtelte und dann die höllischen Worte sprach: „Bei Gott, ich schwöre, dass ich dir einen dieser verdammten Bälle in den Hals schiebe. Ich schwöre es.“

Nur 120 Sekunden später war dann alles vorbei für die von Anstand und Vernunft verlassene Titelverteidigerin, die von Oberschiedsrichter Brian Earley und Supervisorin Donna Kelso mit einem verhängnisvollen Strafpunkt belegt wurde - mit einem Strafpunkt, der bei Matchball von Kim Clijsters in diesem US Open-Halbfinale das abrupte Spielende markierte. „Ich würde es gerne ungeschehen machen. Aber es ist leider passiert“, sprach die betretene 4:6, 5:7-Verliererin kurz nach dem heftigen Aussetzer, der zum größten Eklat im Grand Slam-Zirkus seit fast 20 Jahren führte.

1990 wurde Krawallmacher John McEnroe disqualifiziert

1990 war Krawallmacher John McEnroe in Melbourne nach drei Verwarnungen in der Partie gegen den Schweden Mikael Pernfors sogar mitten in der laufenden Partie disqualifiziert worden. Die zweite Verwarnung für Serena Williams, im Tennis-Amtsdeutsch „wegen unsportlichen Verhaltens“, kam sozusagen in einer fatalen Blitzkombination. Wegen eines selten geahndeten Fußfehlers beim zweiten Aufschlag hatte Williams Sekunden vor dem bösen Schwur schon kampflos den Punkt zum 15:40 verloren, dann folgte – nach den wenig druckreifen Worten – rasch das konsequente Verdikt der Offiziellen. Strafpunkt, Ende. Aus.

„Es ging alles so schnell. Ich war selbst geschockt“, sagte Überraschungsfinalistin Kim Clijsters, die auf der anderen Seite des Netzes „zum Glück“ nicht genau verstehen konnte, was die jüngere Williams-Schwester der unglücklichen Frau an der Linie entgegengeschleudert hatte. Etwas unwillig nahm die Belgierin deshalb die Glückwünsche von Williams entgegen, die im Eilschritt die größte Arena der Welt verließ: „So hätte das nicht enden dürfen.“ In der Nacht zum Sonntag traf die „beste Tennismama der Welt“ nun im unvorhersehbaren Endspiel auf die 19-jährige Dänin Carolin Wozniacki, die Janina Wickmayer, Clijsters´ Landsfrau, mit 6:3 und 6:3 besiegt hatte. Für Clijsters war es der erste Finaleinzug bei einem Major seit dem Gewinn der US Open 2005. Die Partie war für 3 Uhr am Montagmorgen angesetzt.

"Dafür gibt es keine Entschuldigung"

Doch selbst wenn die höchst rüstige Tennismutter ihre Rückkehr nach fast zweijähriger Spielpause auch noch mit einem Titelcoup in Flushing Meadow krönen sollte – der unglaubliche Abschied von Serena Williams dürfte stets die zweite große Geschichte sein, mit der man diese US Open 2009 noch in Jahren verbinden wird. „Du denkst, du hast schon alles im Tennis gesehen – und dann passiert so was“, befand der einschlägig bewanderte McEnroe am Mikrofon von CBS, „ich weiss, was ich sage: Dafür gibt es keine Entschuldigung, da gibt es keine zwei Meinungen.“ Auch die frühere Spitzenspielerin Mary Carillo sprach von einem „unverzeihlichen Fehler“ von Williams: „Das war schon ein ernster Vorgang.“

War es das stundenlange, angespannte Warten auf den Einsatz – einen Einsatz, der erst um 21.30 Uhr am Abend dieses regengeplagten „Super Saturday“ begann? War´s der Frust über die eigene Hilflosigkeit im Duell mit der bärenstarken Kim Clijsters? Jedenfalls kassierte Williams schon direkt nach dem verlorenen Punkt zum 0:1-Satzrückstand eine – im nachhinein – folgenschwere Verwarnung. Aber auch hier gab es keine Zweifel an der Berechtigung: Die 27-jährige hackte ihren Schläger erbittert so lange auf den Boden, bis er zerbarst. Ein klarer Fall von Regelverstoß.

"Kim war einfach klar besser"

Als die Vorjahressiegerin sich später ihren weit gröberen Ausrutscher leistete, deutete ohnehin bereits alles auf einen klaren, ungefährdeten Sieg der brillant auftrumpfenden Clijsters hin. Ehe Williams ihrer Gegnerin die letzten beiden Punkte wie Eigentore schenkte, war sie meist nur die reagierende Figur in diesem faszinierenden Abendmatch gewesen – ein Umstand, den sie später, schnell wieder abgeregt, auch klar benannte: „Kim hat eigentlich gar nicht verdient, dass dieses Match so endete. Sie war einfach klar besser, so stark hatte ich sie nicht erwartet.“

Immerhin: Die Turbulenzen und eine saftige Geldstrafe hätte sich die bullige Fighterin ersparen können, wenn sie die Linienrichterin nach den ersten Flüchen nicht noch ein zweites Mal heimgesucht und noch einmal mit Beschimpfungen nachgelegt hätte. Damit setzte sich die Spirale der Demütigung für Williams aber in Gang. Denn nach Befragungen durch alle auf den Platz geeilten Offiziellen war klar, dass es keinen Ausweg mehr gab für die Championess des Jahres 2008 gab. „Will jemand behaupten, dass ich gesagt habe: Ich bringe Dich um“, rief Williams dem Funktionärstrio zu. Das wollte keiner, das nicht. Doch was der Superstar ziemlich sicher gesagt hatte, reichte auch so völlig aus für das verdientermaßen schmerzhafte Ende.

Jörg Allmeroth

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