Sixdays-Sieger Keisse gedopt

Iljo Keisse, dieses Jahr Sieger der Münchner Sixdays, ist positiv getestet worden. Rennleiter Sigi Renz versteht die Welt nicht mehr. Veranstalter Cyron: „Kein Argument fürs Weitermachen“
Er wollte „Weltmeister werden – so schnell wie möglich“. So schrieb es Iljo Keisse, gemeinsam mit dem Potsdamer Robert Bartko Sieger des Münchner Sechstagerennens, auf seiner Internetseite. Doch der Traum des 25-Jährigen ist geplatzt. Die A-Probe des Belgiers wurde bei seinem Sieg am 23. November in Gent, bei seinem Heimrennen, positiv getestet. Der Bahnradsport hat nach Jahren wieder einen Doping-Skandal.
Die Szene ist in Aufruhr – auch in München. „Wahnsinn, das haut mich vom Hocker“, sagt Sigi Renz. Der 70 Jahre alte Sixdays-Rennleiter versteht die Welt nicht mehr. „Iljo war bei uns der beste Mann auf der Bahn, ihm gehörte die Zukunft. Warum sollte er was nehmen?“
Mit der Nachsicht seines Erfolgspartners Bartko darf Keisse auch nicht rechnen: „Wenn er überführt werden sollte, muss er mit aller Konsequenz bestraft werden“, fordert der zweimalige Olympiasieger und denkt mit Schrecken an die Folgen: „Damit hat Iljo uns keinen Gefallen getan: sich nicht, uns Fahrern nicht und den Sechstagerennen schon gar nicht.“
Ein weiterer Rückschlag für die vom Aus bedrohten Münchner Sixdays. Rund 100.000 Euro Verlust musste das Traditionsrennen in diesem Jahr hinnehmen. „Dieser Fall ist sicherlich kein positives Argument fürs Weitermachen“, befindet Veranstalter Klaus Cyron, der zusammen mit dem Olympiapark Ende Januar über die Zukunft der Sixdays entscheiden will. „Ich werde genau beobachten, wie die Besucher in Zürich, Bremen und Berlin reagieren“, kündigt Cyron an. Er selbst will in die Städte reisen, um „die Resonanz zu spüren. Und dann muss ich mir klar werden, ob eine Veranstaltung im Umfeld des Radsports noch Sinn macht.“ Die Zeichen stehen wohl auf Abschied.
Unterdessen mauerten Keisse und sein Radteam „Topsport Vlaanderen“ weiter, was im Blut des jungen Belgiers gefunden wurde. Es soll sich jedoch nicht um das leistungssteigernde Epo oder die neuartige Variante Cera handeln.
„Sie können sich den positiven Befund nicht erklären“, verriet Renz der AZ. „Es könnte von einem Mittel stammen, das Iljo wegen einer Magen-Darm-Erkrankung genommen hat. Iljo beteuert felsenfest, dass er nichts Leistungssteigerndes eingeworfen hat.“
Sollte die B-Probe ebenfalls positiv sein – und davon ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auszugehen –, kann sich Keisse auf eine empfindliche Sperre und Geldstrafe einstellen. In diesem Fall würde Keisse sofort suspendiert werden, kündigte sein Rennstall an. Den Titel von seinem Heimrennen in Gent wird er ebenfalls abgeben müssen. Von den anstehenden Sechstagerennen in Bremen und Berlin wurde Keisse schon ausgeladen.
Und auch den Unmut der Kollegen hat er sich zugezogen. „Verärgerung, Enttäuschung, Ohnmacht – ich kann gar nicht genau beschreiben, was ich im Moment fühle“, sagte Bruno Risi, das Sixdays-Urgestein aus der Schweiz, zur AZ. Die Ausrede der falschen Medikation lässt der 40-Jährige nicht zu: „Wenn er im Zweifel war, warum hat er dann um Gottes Willen nicht auf die Liste geschaut? Wer in der heutigen Zeit erwischt wird, ist bescheuert.“ Tatsächlich fühlt sich Risi auch persönlich betroffen: „Ich habe immer dafür gekämpft, dass unser Sport sauber ist. Und dann das! Er lässt mich wie einen Lügner dastehen.
Joscha Thieringer