"Sind ganz schön wild": So denkt Emma Aicher über die Ski-Dominatoren aus der Schweiz
AZ: Frau Aicher, gerade hat Sie hier im Olympiapark eine Dame um ein Foto mit ihr gebeten – das passiert Ihnen nach dieser so erfolgreichen Saison wahrscheinlich nun öfter, oder?
EMMA AICHER: Ist mir noch nie passiert! Das war gerade das erste Mal. Außer halt bei der Ski-WM in Saalbach.
Aicher sitzt bei Wings for life World Run im Catcher-Car
Am 4. Mai werden Sie wieder im Olympiapark sein, als Beifahrerin von Andreas Wellinger, der beim Wings for life World Run wieder das sogenannte Catcher-Car fährt, das die Läufer nach und nach einsammelt. Im vergangenen Jahr sind Sie selbst mitgelaufen – wie war’s?
Richtig cool! Super Stimmung, so viele Leute – schon was anderes als wenn man über die App läuft.
Wie weit sind Sie gekommen?
17 Kilometer. Das Längste, was ich je gelaufen bin.
Aicher: "Ich hab’s überall gemerkt"
Respekt!
Ich dachte auch: 'Hoffentlich kommt bald das Auto. . .'
Hat eine durchtrainierte Athletin wie Sie danach auch mal Muskelkater?
Krassen Muskelkater! Nicht nur in den Beinen, ich hab's überall gemerkt. In der Woche darauf hatten wir Kraft-Test. War nicht die beste Vorbereitung dafür. . .
"Jetzt mache ich mal nur, was ich machen will"
Ende März sind Sie Ihr letztes Saisonrennen gefahren – wie ist das Leben nun, so ganz ohne Skier?
Mal von allem wegzukommen ist für Körper und Kopf schon sehr gut. Jetzt mache ich mal nur, was ich machen will. Nächste Woche fahre ich noch nach Val d'Isère zu einem Event von Clement Noel: Red Bull Alpine Park, Slalomläufe durch einen Snowpark, richtig cool. Und dann geht's auch schon bald wieder los.
Gar kein Urlaub?
Nö, nicht wirklich. Daheim ist auch mal schön.
Aicher wohnt mittlerweile in Salzburg
Wo sind Sie eigentlich jetzt daheim?
Ich bin von Berchtesgaden nach Salzburg gezogen.
Sie waren ja auch mal in Engelberg daheim, haben dort die gleiche Schule wie Marco Odermatt und viele andere Schweizer Ski-Stars besucht. Wie kam es dazu?
Wir sind damals von Schweden nach Engelberg gezogen, weil meine Mama einen Job in Zug bekommen hatte. Dreieinhalb Jahre haben wir da gewohnt, bevor es wieder nach Schweden ging. Auf der Schule war ich von der ersten bis zur vierten Klasse, mir hat es richtig gut gefallen da. Wir haben nur fünf Minuten von der Talstation weg gewohnt: so viel Skifahren! Das war schon ein bisschen das Paradies.
Aicher: "Ich fliege halt noch zu oft raus"
Dann ging's für Sie zurück nach Schweden.
Da geht die Grundschule bis zur neunten Klasse, danach war ich ein Jahr lang in Are auf dem Ski-Gymnasium, und im September 2020 bin ich auf die Christophorus-Schule in Berchtesgaden gekommen.
Von da an hat die Öffentlichkeit Ihren Weg genauer verfolgt, spätestens, als der DSV Sie als 17-Jährige ohne Weltcup-Erfahrung für die Ski-WM in Cortina d'Ampezzo nominierte, wo Sie gleich mal Bronze mit dem Team gewannen. In diesem Winter gelangen Ihnen nun die ersten beiden Weltcup-Siege sowie zig weitere Top-Platzierungen - wie haben Sie die Saison selbst erlebt?
Das Gute war schon überraschend gut, finde ich. Aber das Ganze ist halt noch ein bisschen inkonstant. Ich kann schon gute Läufe haben, fliege aber halt noch zu oft raus, gerade im Slalom. Aber vom Skifahren und der Technik her bin ich schon zufrieden. Ich bin in drei Disziplinen schnell unterwegs, in der vierten (dem Riesenslalom, d. Red.) arbeite ich noch daran. Resultatmäßig bin ich auch zufrieden, hätte mir aber ein bissl mehr Konstanz gewünscht.
"Je mehr ich fahren darf, umso cooler"
Fährt außer Ihnen überhaupt noch irgendjemand im Weltcup alle Disziplinen?
Michelle Gisin war bei allem dabei, hat aber jetzt mit dem Slalom aufgehört.
Warum tun Sie sich diesen Mega-Stress an? Weil Sie einfach alles fahren wollen?
Mir macht halt das Skifahren Spaß und das Rennen fahren. Je mehr ich fahren darf, umso cooler. Wenn es mir nicht Spaß machen würde, könnte ich es auch nicht so durchziehen können, wie ich es tue.
Aicher freut sich auf Ski-Pause
Wie kaputt und erschöpft sind Sie nach so vielen Rennen?
Man ist halt schon immer müde nach der Saison, aber nicht übertrieben müde. Man braucht halt kurz eine Pause, um mal von allem wegzukommen, mal ein anderes Umfeld zu haben. Ich mag ja die Menschen, mit denen ich unterwegs bin, aber eine Pause ist dann schon mal gut. Solange ich Kraft habe für alles, will ich das auch so weitermachen.
Die nächste Saison ist eine olympische, gefahren wird in Cortina, wo Sie Ihre erste WM-Medaille gewonnen haben. Liegt Ihnen die Abfahrtspiste Tofana?
Hm, bisher war ich nicht so erfolgreich in Cortina. Aber mir gefällt es richtig gut da, immer schönes Wetter, die Strecke ist eigentlich auch ganz cool.
Gisin war das Vorbild von Aicher
Hatten Sie in Sachen Ski Vorbilder in der Jugend?
Michelle Gisin, weil sie halt alles gefahren ist. Generell schaue ich mir gern gute Skifahrer an, eine wie die Mikaela Shiffrin: Von ihr kann man so viel lernen. Oder von der Lara Gut-Behrami: Die ist zwar körperlich ganz anders als ich, aber die lässt es halt einfach laufen.
Schauen Sie bei den Männern auch hin?
Klar, aber das ist auch wieder etwas ganz anderes, weil die so krank aggressiv fahren. Loic Meillard: Der fährt richtig schön und gut Ski, ist aber auch schnell. Von dem kann man sich auch sehr viel abschauen.
"Die trauen sich alles, lassen es laufen"
Wie überhaupt von fast allen Schweizern, oder?
Die Jungen, die nachkommen, sind ganz schön wild. Die trauen sich alles, lassen es laufen, haben eine richtig gute Stimmung im Team. Es schaut aus, als ob sie immer Spaß haben.
Zum neidisch werden! Ein bisschen was davon würde dem DSV-Team sicher auch nicht schaden.
Klar, je mehr Leute sich gegenseitig pushen, desto cooler ist es. Aber mit unserem Team verstehe ich mich auch gut, zum Beispiel mit der Kira (Weidle-Winkelmann, d. Red.) habe ich immer Spaß zusammen.
Aicher-Bruder taugt "Mischung aus Schule und Skitraining"
Sie haben ja noch einen drei Jahre jüngeren Bruder, den Max. Er fährt auch Skirennen, allerdings unter schwedischer Flagge. Hat er keine Ambitionen, der Schwester nach Deutschland zu folgen?
Der ist da auf dem Ski-Gymnasium, und ihm taugt diese Mischung aus Schule und Skitraining total. Ich habe ihm empfohlen, daheim die Schule fertigzumachen, und dann kann er immer noch kommen.
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