Simonsen: Tod in der Tetre Rouge
Bei den 24 Stunden von Le Mans stirbt der Däne Allan Simonsen. EDen Sieg holt sich wieder Tom Kristensen im Audi. „Ich bin superfertig”
Le Mans Als der Sieger Tom Kristensen aus dem Auto stieg, nahm er zuerst den Helm ab. Auf dem Weg zu den ersten Interviews überkam es den Dänen dann: Tränen flossen. Viel brachte der nun mit neun Siegen unangefochtene Rekordchampion der 24 Stunden von Le Mans nicht heraus. „Es ist ein sehr emotionaler Moment. Ich bin superfertig.”
Auch einige Minuten später, auf dem Podium, hielt Kristensen die Trauer nicht zurück. Der Rekordsieger weinte um seinen Freund Allan Simonsen, widmte ihm den Sieg.
Mit Loic Duval und Allan McNish hatte Kristensen Audi den 12. Erfolg bei der 15. Teilnahme. Doch die Tragödie, die von diesem Rennen bleiben wird, geschah schon einen Tag vorher. Genauer: 23 Stunden und 51 Minuten vor dem Schwenken der weiß-schwarz-karierten Flagge, als die anspruchsvolle Rennstrecke in Zentralfrankreich ihr 117. Opfer forderte.
In der dritten Runde Simonsen, Kristensens Landsmann, in der schnellen Tetre-Rouge-Kurve bei rund 170 Stundenkilometern die Kontrolle über seinen Aston Martin verloren und war seitlich gegen die Leitplanke gekracht.
Simonsen soll zwar ansprechbar gewesen sein, als er aus dem Wrack geborgen wurde, doch er verstarb wenig später im Medical Center. Er wurde nur 34 Jahre alt und hinterlässt Lebensgefährtin Carina und die erst einjährige Tochter Mie-Mai.
Erst gegen 18 Uhr informierte der Veranstalter die Öffentlichkeit vom Todesfall, der Ringsprecher bat um eine Schweigeminute. Aston Martin entschied sich, das Rennen fortzusetzen, auf Wunsch der Familie des Verstorbenen. „Seine Familie hat uns gebeten, weiter zu machen, zu Ehren von Allan, der das sicherlich so gewollt hätte”, sagte Teamchef David Richards.
Show must go on, dieser Leitsatz gehört zur unbarmherzigen Logik des Rennsports. So war es immer, auch und gerade in Le Mans. Simonsen ist nun der 22. Fahrer, der in der 90-jährigen Geschichte des Rennens starb (siehe rechts).
Praktisch sofort entbrannte eine Diskussion um die Sicherheit im Rennsport. „Was für ein tragischer Verlust. Ein Kämpfer und ein wahrer Racer”, erklärte Formel-1-Star Jenson Button, „wir müssen die Sicherheit im Motorsport weiter verbessern.”
Der dreimalige Le-Mans-Sieger für Audi, Marco Werner, kritisierte, dass die Kurve nicht mit Reifenstapeln abgesichert war. „Man wird sich Gedanken machen müssen”, sagte er. Die meisten Experten aber werteten Simonsens Crash als tragischen Rennunfall mit fatalem Ende. „Ich denke, dass man niemandem einen Vorwurf machen kann”, sagte Werners früherer Kollege Frank Biela, „an der Stelle fliegt man normalerweise nicht ab.”
Tatsächlich ist die Tetre Rouge, von der die Piloten vom Rennkurs auf eine abgesperrte Landstraße gelangen, eine zwar schnelle und recht enge, aber nicht sehr schwierige Kurve. Simonsen, ein erfahrener GT-Pilot, der zum siebten Mal in Le Mans war, mehr als 80 Siege eingefahren hatte, scheint das Opfer einer Kette vieler unglücklicher Faktoren geworden zu sein.
Auf einem Video des hinter ihm fahrenden Autos sieht man, wie er beim Ausholen für die Kurve auf die durch die Nässe spiegelglatten Streckenbegrenzer kommt und ins Schleudern gerät. Beim Versuch, das Auto zu stabilisieren, reißt er das Lenkrad nach links und kommt in eben jenem Moment wieder auf den Asphalt. Das Auto hat plötzlich wieder Grip, rast nach links und kracht seitlich gegen die Leitplanke.
Beim Aufprall sollen schier unglaubliche 75 G, also das 75-fache Körpergewicht auf Simonsen eingewirkt haben. Schon Kräfte von 20 G, die etwa bei einem Frontal-Aufprall mit 50 Stundenkilometern auftreten, gelten prinzipiell als tödlich. „Das war leider ein klassischer Rennunfall mit fatalem Ende. Motorsport ist und bleibt gefährlich”, sagte etwa die Bayerische Rennfahrerlegende Strietzel Stuck.