Siege in Frankreich, Kampf um Akzeptanz in Deutschland

Durch die zahlreichen Tagessiege bei der Tour de France rückt der deutsche Radsport immer mehr in den Fokus. Hierzulande hat er aber weiter einen schweren Stand.  
von  SID
Die deutschen Sieger bei der Tour de France. Der Radsport kämpft in Deutschland aber immernoch mit einem Akzeptanzproblem.
Die deutschen Sieger bei der Tour de France. Der Radsport kämpft in Deutschland aber immernoch mit einem Akzeptanzproblem. © dpa

Durch die zahlreichen Tagessiege bei der Tour de France rückt der deutsche Radsport immer mehr in den Fokus. Hierzulande hat er aber weiter einen schweren Stand.

Saint-Amand-Montrond – Für Seriensieger Marcel Kittel hält der Tour-Rausch unvermindert an, Weltmeister Tony Martin gewann einen viel beachteten Zeitfahr-Krimi und auch Andre Greipel hat sich bereits in die Siegerliste eingetragen. Die deutschen Radprofis machen die 100. Tour de France zu einer „Tour d'Allemagne“, in der Heimat lösen die Erfolge aber keinen Boom aus. Vielmehr kämpft der Radsport dort weiterhin um Akzeptanz.

Es ist nicht absehbar, ob ARD und ZDF irgendwann wieder in eine umfangreiche Live-Berichterstattung einsteigen werden. Derzeit gibt es dazu keine Pläne und aktuell auch keine Möglichkeit, da die öffentlich-rechtlichen Sender sich 2011 nicht mehr um einen neuen Vertrag bemüht haben. Zu sehr überdeckt der düstere Schleier der Vergangenheit noch immer die momentan großen Triumphe, als dass eine ähnliche Begeisterung wie in den 1990er Jahren entstehen könnte.

Die Haltung der Sender bleibt daher vorerst bestehen. „Eine Rückkehr ist schwer vorstellbar. Ich weiß nicht, ob und wann Glaubwürdigkeit im Radsport überhaupt wieder hergestellt werden kann“, hatte ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz zuletzt dem SID gesagt. Selbstverständlich beobachte man die Entwicklung im Radsport sehr genau, hatte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky ergänzt, „wie in jeder anderen Sportart auch. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.“

Für Kittel, Martin und Co, die sich ein Comeback bei den großen deutschen Sendern wünschen, ist dieser Zustand naturgemäß nicht zufriedenstellend. „Es zeigt in einer Weise Ignoranz“, sagte Kittel nach seinem Erfolg in Tours am Donnerstag. Andererseits sei es aber auch „Motivation, weiterzukämpfen. Wir müssen einfach dranbleiben und weiter Rennen gewinnen. Das ist die beste Werbung, die möglich ist.“

Auch mit ihrer offensiven Haltung im Kampf gegen Doping will die neue deutsche Generation punkten und um eine Chance kämpfen. Kittel, Martin und John Degenkolb legten ein Anti-Doping-Gelübde ab, fordern lebenslange Sperren und würden auch ein Anti-Doping-Gesetz begrüßen. Weltmeister Martin hofft, dass im Zuge der großen Erfolge „vielleicht auch manche Fans, die sich abgewendet haben, zurückkommen und der Radsport in Deutschland wieder wächst.“

Ein Schritt dazu wäre ein deutsches World-Tour-Team, doch nachdem 2012 ein Unternehmen aus der Pflegemittelbranche Überlegungen verworfen hatte, zeichnet sich dies gerade nicht ab. Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) versucht derweil mit Schulprojekten und anderen Initiativen Nachwuchs zu gewinnen.

Verbandspräsident Rudolf Scharping fordert eine klare Trennlinie zwischen den verseuchten Jahren und der Gegenwart. „Unsere derzeit erfolgreichen Sportler haben nichts mehr zu tun mit den Sünden der Vergangenheit. Die junge Generation gibt in Frankreich die Antwort auf die oft fälschlich für totgesagte Zukunft des deutschen Radsports“, sagte Scharping dem SID. Der BDR, ergänzte der 65-Jährige, sei überzeugt, dass ARD und ZDF „sich in den nächsten Jahren wieder der Tour öffnen werden“.

Bis es irgendwann vielleicht wieder soweit ist, bleibt Eurosport die einzige Live-Quelle von der Tour de France für Radsportfans. Der Spartensender liegt nach eigenen Angaben derzeit zehn Prozent über der Einschaltquote vom letzten Jahr und bei einer 20-prozentigen Steigerung gegenüber 2011. Eingerechnet sind bislang zehn Etappen.

Erfahrungsgemäß würden die Werte bei den wichtigsten Bergetappen aber noch deutlich ansteigen, hieß es. 360.000 Zuschauer habe es bislang durchschnittlich gegeben, in der Spitze bis zu 859.000, was einem Marktanteil von 3,4 Prozent entspräche. Eurosport sei damit „selbstverständlich sehr zufrieden“. An potenzielle Werte der Öffentlich-Rechtlichen reicht dies längst nicht heran.

Marcel Kittel sagt, dass er via Facebook, Twitter oder seine Homepage viele positive Reaktionen erhalte. „Unsere Leistung wird von den Fans anerkannt, hoffentlich bald auch von den TV-Verantwortlichen.“

 

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