Sieg oder Platz?
OBERSTDORF - Die große Experten-Debatte vor dem Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen: Wie stark ist Rückkehrer Martin Schmitt wirklich?
Rechnen lag Martin Schmitt schon immer. Mathematik und Sport, das waren in der Schule seine Lieblingsfächer. Die Schulzeit liegt beim 30-Jährigen zwar lange zurück, aber das Rechnen mag er nach wie vor. „Wenn 100 das Maximum ist, war mein erster Sprung bei 95", resümiert er seinen Auftakt bei der Vierschanzentournee in Oberstdorf. Dann seufzt er: „Der zweite Sprung, war natürlich wieder drunter.“
Schmitt, der aus der Versenkung zurückgekehrte Star, gibt Fans und Experten vor dem Neujahrsspringen in Partenkirchen am Donnerstag (13.45 Uhr, ARD live ab 13.20 Uhr) Rätsel auf: Warum fällt er nach grandiosen 134,5 Metern in Durchgang zwei derart ab? Warum springt nicht mehr als Platz fünf heraus? Schmitt selbst weiß: „Man muss Ausnahmesprünge zeigen, wenn man gewinnen will.“ Und zwar jeweils zwei.
Da ist ihm Simon Ammann, der Sieger vom ersten Tournee-Springen in Oberstdorf voraus. Über den Schweizer sagt der deutsche Hoffnungsträger: „Simon hat mehr Sicherheit als ich. Das soll aber nicht heißen, dass ich an mir zweifle.“ Im Gegenteil: „Ich habe das nötige Selbstvertrauen.“ In Partenkirchen will Schmitt „die Qualität weiter steigern“. Doch wie viel ist noch drin? Kann er gewinnen? Heißt es am Ende Sieg oder Platz? Die große Experten-Debatte in der AZ:
Dieter Thoma, Ex-Skispringer und ARD-Experte: „Ich war ja in den vergangenen Jahren immer ein großer Kritiker. Jetzt muss ich sagen: Durch die neue Konstellation mit Bundestrainer Werner Schuster sieht man, was alles möglich ist. Auch für Martin Schmitt war das eine Initialzündung. In Oberstdorf hat man gesehen: Er kann aus eigener Kraft aufs Podest springen, so dicht an der Weltspitze war er lange nicht. Dennoch dürfen wir nicht zu viel erwarten – den Druck macht er sich ja schon selbst. Der Kerl ist ja durch so viele Täler gegangen. Und dass er jetzt mit dem fünften Platz nicht zufrieden ist, das ist normal. Aber so liebe ich den Martin, weil er da einfach Perfektionist ist. Wenn er am Ende unter die Top Fünf der Tournee kommt, kann er zufrieden sein.“
Jens Weißflog, Skispringer-Legende und ZDF-Experte: „Schmitt war in Oberstdorf gut, aber er hat doch technische Probleme gezeigt. Vor allem beim zweiten Sprung, da ist er ins alte Bewegungsmuster zurückgefallen. Da macht die Nervenstärke einfach den Unterschied aus. Bevor wir vom Sieg reden, muss er erstmal aufs Podest kommen. Ich sehe ihn nach wie vor, eher zwischen Platz drei und sechs.“
Toni Innauer, ÖSV-Sportdirektor: „Ich muss schon sagen, der Schmitt war ganz gut in Oberstdorf. Er ist ganz knapp an unseren Topleuten dran. Es sind jetzt sicher mehr Konkurrenten im Spiel. Unser Wolfgang Loitzl ist ernst zu nehmen, aber jetzt auch der Russe Dmitrij Wassilijew und eben Schmitt. Dass er bei der Gesamttournee aufs Podest kommt, könnte klappen. Wenn er sich noch steigert, sogar der Gesamtsieg. Aber das wäre dann schon ein kleines Wunder.“
Wolfgang Steiert, Ex-Trainer von Martin Schmitt, heute Trainer der Russen: „Ich denke, Martin hat eindrucksvoll gezeigt, dass seine Form keine Ente ist. Der erste Podestplatz wird kommen – früher oder später. Ich bin natürlich froh, dass es Wassilijew aufs Podest geschafft hat. Das war kein Zufallstreffer. Und bei Martin bin ich mir ganz sicher: Er schnuppert an was ganz Großem.“
Reinhard Keck
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