Sieg nach Gepäck-Ärger: Otte in Wimbledon auf dem Vormarsch

Die einen wollen weg, können aber nicht - Flugausfälle en masse. Die anderen fliegen, aber ihr Gepäck fliegt nicht mit - oder an einen ganz anderen Ort.
Chaos herrscht zur Zeit an vielen europäischen Flughäfen. Was für Urlauber schon ein Kreuz ist, ist für Unternehmer und Sportler sogar teuer: Sie können im Ernstfall ihrem Job nicht mehr nachgehen, weil ihre Arbeitsmaterialien fehlen. Oscar Otte, die deutsche Nummer eins in Wimbledon, hat nun Bekanntschaft mit der Gepäckermittlung gemacht.
Glück im Unglück: Schläger im Handgepäck
Auf dem Flug nach London ging ein Gepäckstück mit Tennis-Ausrüstung verloren. Drinnen: fünf Paar Tennis-Schuhe, speziell für den Rasen-Untergrund. Saiten zum Bespannen seiner Schläger. Und ein Glücksstein, den ihm mal sein Vater geschenkt hat. Und obwohl der Talisman fehlte, hatte Otte Glück im Unglück: "Zum Glück habe ich mir am Abend vorher noch gesagt: Nimm die Schläger mal lieber ins Handgepäck. Das war wichtig, weil ich an Schläger wohl so schnell nicht mehr drangekommen wäre", sagte Otte.
Das Sportgerät einfach ins Handgepäck? Das erzähle man mal Mikko Paavola, Finnlands Hochsprung-Ass, dessen Stäbe dafür viel zu lang sind. Eigentlich auch viel zu lang, um nicht gefunden zu werden. Doch seit Wochen liegen sie irgendwo am Frankfurter Flughafen. Ob er sie vor der Leichtathletik-WM in Eugene (USA, 15.-24. Juli) erhält, ist fraglich. Sein Suchauftrag bei der Gepäckermittlung blieb bisher erfolglos.
So war das auch bei Otte vor dem Auftaktmatch. Statt sich auf das Duell gegen den Münchner Peter Gojowczyk zu konzentrieren, plagte er sich mit dem Suchantrag herum. Die Fluglinie war, Urlauber kennen das, telefonisch nicht zu erreichen. Otte füllte online ein Formular aus. Er kontaktierte auch seinen Ausrüster, der ihm schnell noch zwei paar Ersatzschuhe lieferte. In ihnen gewann er gegen Kumpel Gojowczyk auf Court 7 fix mit 6:1, 6:2, 6:1.
Angelique Kerber: "Der Fokus liegt auf der nächsten Runde"
Im Eiltempo kam auch Angelique Kerber in die zweite Runde. Die 34-Jährige gewann gegen die Französin Kristina Mladenovic mit 6:0, 7:5. Gerade einmal 16 Minuten und damit noch sechs Minuten weniger als Otte brauchte sie im ersten Satz. Geht für die beste deutsche Tennisspielerin wieder was, wie 2018, als sie in Wimbledon gewann? Kerber: "Der Fokus liegt auf der nächsten Runde."
Otte spielt nun gegen Harrison
Da hat sie es nun mit der Polin Magda Linette zu tun. Kerber, die die Nummer 65 der Weltrangliste Mitte Mai in Straßburg niederrang, meint: "Das wird nicht einfach."
Otte trifft nun auf Christian Harrison, der den Briten Jay Clare nach einer Regenpause schließlich mit 7:6, 6:1 und 7:6 (8:6) bezwang. Der US-Amerikaner steht auf Weltranglistenplatz 251 - eine machbare Aufgabe also für Otte, der mit dem Weltranglistenplatz 36 so gut dasteht wie noch nie in seiner Karriere.
Der Kölner steht auch schon mal mit seinem Ausrüster in Kontakt. Nach dem Auftaktsieg sagte er mit Blick auf die Schuhe: "Wenn es weiter so gut läuft, müssen sie welche nachschicken." Oder die Gepäckermittlung am Flughafen müsste fündig werden. Dann hätte Otte auch seinen Glücksstein wieder.