Sie gewann Gold - für das Grabkreuz

BISCHOFSWIESEN - Die Abendzeitung hat Familie Hölzl in Bischofswiesen besucht. Brigitte Hölzl weiß schon jetzt: Ein Duplikat von Kathis WM-Medaille kommt zum Vater auf den Friedhof.
Ihr Blick, er geht nach oben. Hinauf auf den Hügel oberhalb von Bischofswiesen. Dorthin, wo der Friedhof ist. Dorthin, wo ihr Mann Sebastian liegt. „Er hätte das so gerne miterlebt. Aber ich bin mir sicher, dass er jetzt hier runterschaut und sich freut“, sagt Brigitte Hölzl.
Sie ist die Mutter von Kathrin Hölzl, die bei der Ski-WM in Val d’Isere sensationell Gold im Riesenslalom holte. Und der Sebastian, den hier alle nur Wasti nennen, das war ihr Mann, der Vater von Kathrin. Zugleich Kathis Förderer, ihr Trainer. Kathrin saß bis zuletzt, bis zum 6. Februar 2008, als der Papa im Alter von nur 56 Jahren einem Krebsleiden erlag, am Sterbebett. „Sie war sein Sonnenschein, er konnte ihr keinen Wunsch abschlagen“, sagt Wolfgang Maier, der Skidirektor des Deutschen Verbandes.
Im Haus der Hölzls, da sind beide omnipräsent. Der Wasti und die Kathi. Überall hängen Fotos der Tochter. Angefangen von ihren ersten Erfolgen mit fünf Jahren, als sie eine Pumuckl-Urkunde erhielt. In der gemütlichen, bayerischen Stubn mit den alten Holzbalken an der Decke steht eine Truhe. Und auf der Truhe, da steht ein gerahmtes Bild vom „Wasti“, daneben ein Licht. Eine Art ewiges Licht. „Wir haben eine sehr schwere Zeit hinter uns“, sagt Brigitte Hölzl, streichelt den Hund, den Bazi, und nimmt das Bild ihres Mannes in den Arm. „Sehr schwer. Aber das ist jetzt sehr schön. Auch das ist ein unvergesslicher Moment.“
Ein Moment, den sie im Gespräch mit der AZ noch einmal nacherlebt.
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AZ: Frau Hölzl, wie war’s, als Ihre Tochter Gold gewann?
Ich habe es gar nicht live angeschaut. Ich habe das Rennen auf Video aufgenommen und hab’ dann den Raum verlassen. Meine Nerven hätten das nicht mitgemacht. Den Nerven hat es gut getan, und der Kathrin hat es vielleicht Glück gebracht. Die Kathi hat es sich wirklich verdient. Nach all den Verletzung, den Rückschlägen und natürlich dem Schicksalsschlag.
Dem Tod Ihres Mannes.
Ja, am 6. Februar war der Jahrestag seines Todes – und am 12. Februar holt die Kathrin nun Gold. Kathrin hat schon gesagt, dass sie die Goldmedaille meinem Mann widmet. Wir haben uns auch etwas besonderes einfallen lassen.
Was denn bitte?
Wir werden die Goldmedaille nachmachen lassen und auf dem Grab meines Mannes befestigen. Vielleicht als eine Art Kette, so als würde er die Medaille dann tragen. Dieses Gold, das hat die Kathrin für ihn gewonnen. So können wir ihm posthum ein Denkmal setzen. Er hätte diesen Erfolg, diesen Sieg, so gerne noch erlebt. Aber so können wir zeigen, dass dieses Gold auch ihm gehört. Es wird dann ewig bei ihm sein. Das haben wir beide entschieden.
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Das Grab von Sebastian Hölzl auf dem Friedhof Bischofswiesen ist vollkommen eingeschneit. Ein Rentner weist den Weg. „Den Wasti, den suchns? Kommens mit, der liegt da vorn. Der Wasti, das war ein guter Mensch“, sagt der Rentner.
Eine Skischule hat er in Bischofswiesen geleitet und den Kindern das Skifahren beigebracht. „Die Kinder waren vernarrt in ihn. Der Wasti war eine Respektsperson mit Charisma“, sagt der 2. Bürgermeister Bernhard Heitauer, der auch Vorstand des WSV Bischofswiesen, des Skiklubs, ist. „Den Erfolg, den haben sich die Hölzls verdient.“
Die Mama Brigitte, der Bruder Michael, der das Familienunternehmen übernommen hat und der mit seiner Frau Anja und den drei Kindern Tür an Tür mit der Kathi wohnt: „Ich habe mit ihr telefoniert. Der Sieg ist wirklich für den Papa. Sie wollte unbedingt, dass er ihren ersten großen Erfolg miterlebt. Mei, der Papa würde sich freuen.“
In ganz Bischofswiesen, der 7500-Einwohner-Gemeinde, nahe an der österreichischen Grenze, etwa 140 Kilometer von München entfernt, freuen sie sich. Im ganzen Ort sind die Poster von der Gold-Kathi plakatiert. Beim Friseur, im Supermarkt beim Bäcker, da gibt es nur dieses Thema: die Kathi und natürlich auch der Wasti.
Und der Bäcker, er wird am Montag sein Meisterstück präsentieren. Eine eigene Torte für die Gold-Kathi. Die wird ihr dann beim Empfang im Rathaus präsentiert. Zusammen mit der Goldenen Bürgermedaille der Gemeinde.
Und dann, dann werden die Hölzs wieder nach oben blicken. Hinauf auf den Hügel. Dorthin, wo der Wasti liegt.
Matthias Kerber, Reinhard Franke