Sex in the City

Wir wollen da hin gehen, wo sich das Leben abspielt“, hat Formel-1-Chefvermarkter Bernie Ecclestone angekündigt und meinte: Wo das meiste Geld zu holen ist. Wie die Formel 1 sich ändert, um attraktiv zu bleiben.
von  Abendzeitung
Kai Ebel: „Die Schönheiten sind bei den Stadtrennen ja schon da“
Kai Ebel: „Die Schönheiten sind bei den Stadtrennen ja schon da“ © dpa

Wir wollen da hin gehen, wo sich das Leben abspielt“, hat Formel-1-Chefvermarkter Bernie Ecclestone angekündigt und meinte: Wo das meiste Geld zu holen ist. Wie die Formel 1 sich ändert, um attraktiv zu bleiben.

VON FILIPPO CATALDO

Und dann stürzte er einfach ins Hafenbecken. Viereinhalb Mal hatte sich Alberto Ascari in seinem Lancia noch um die eigene Achse gedreht, dann stoppte das Wasser im Hafen von Monte Carlo die Schleuderfahrt. Auf den anliegenden Yachten kreischten die „Wanderpokale“ – so nannten die Fahrer die leicht bekleideten Mädchen damals – auf der Strecke fuhren die anderen Piloten unbeirrt weiter. Matrosen zogen Ascari aus dem Wasser. Lebend, nur mit einem gebrochenen Nasenbein und einem Schleudertrauma.

Das ist fast 53 Jahre her. Auf die Idee, den Großen Preis von Monte Carlo wegen der offenkundigen Sicherheitsrisiken abzuschaffen, ist in der Formel 1 niemand gekommen. Auch in der am Sonntag in Melbourne beginnenden Formel-1-Saison (5.30 Uhr, RTL live) wird der Grand-Prix durch die engen Gassen des Fürstentums ausgetragen. Mittlerweile gilt Monaco sogar als Vorbild für andere Rennstrecken. Die Formel 1 kommt in die Städte.

Insgesamt vier Rennen werden dieses Jahr auf Stadtkursen ausgetragen. Neben Melbourne und Monaco rasen die Fahrer mit mehr als 300 Sachen durch den Hafen von Valencia und durch die asiatische Finanzmetropole Singapur. „Wir wollen da hin gehen, wo sich das Leben abspielt“, sagt Formel-1-Chefvermarkter Bernie Ecclestone. Sprich: Wo das meiste Geld zu holen ist. Ecclestone ist 77 und so geschäftstüchtig wie eh und je. Weil die Staaten Asiens ihm mehr Geld zahlen, verlegte der Brite immer mehr Rennen nach Asien. Weil die meisten Sponsoren und Fans aber aus Europa kommen, wird es auf Befehl Ecclestones in Singapur das erste Nachtrennen in der Formel-1-Geschichte geben. 1500 Scheinwerfer, betrieben von zwölf Generatoren mit je zwei Motoren sollen die Strecke ausleuchten. „Die Generatoren stellen in zwei Stunden genügend Strom her, um eine Stadt wie Mailand zwei Tage lang mit Licht zu versorgen“, berichtet Aldo Stoliano von der beauftragten italienischen Firma stolz. Und das alles, damit 22 Fahrer zwei Stunden im Flutlicht im Kreis fahren können, und die Zuschauer in Europa nachmittags vorm Fernseher Formel 1 schauen können.

Das System Ecclestone ist einfach: Was Bernie will, wird erledigt. Ecclestone ist die Formel 1, und manchmal sogar ein bisschen mehr. Im Mai 2007 drohte er öffentlich, den bereits fertig verhandelten Vertrag über das neue Stadtrennen in Valencia wieder platzen zu lassen, wenn der konservative Partido Popular die Regionalwahlen nicht gewinnen würde. Die Konservativen gewannen, das Rennen findet statt. Am 24. August werden die Boliden durch den America’s-Cup-Hafen rauschen.

Und die Promis müssen noch nicht einmal ihre Yachten verlassen, um Motorsport-Atmosphäre zu schnuppern. Praktisch, so ein Stadtrennen. Vor allem für Boxenluder: „Jetzt müssen die Fahrerlager-Mädels nicht mehr an die Strecke geflogen werden“, sagt RTL-Moderator Kai Ebel. „Die Schönheiten sind bei den Stadtrennen ja schon da“, meint Ebel. „In Monte Carlo musstest du dir als Fahrer nie Gedanken machen, wo nachher die besten Hasen sein würden. Die waren einfach da“, sagt Gerhard Berger, vor Jahren erfolgreicher Fahrer und heute Mit-Teilhaber des Toro-Rosso-Rennstalls.

Sex in the City in der Formel 1. Wobei die Sache mit dem Sex heute so eine Sache ist. Klar, da gibt es Lewis Hamilton, der neue Wunderboy, der offenbar alles kann: Schnell Auto fahren, sich gewandt ausdrücken, gut aussehen Und was wurden dem WM-Zweiten des Vorjahres nicht alles für Affären nachgesagt! Sogar mit Naomi Campbell soll er was gehabt haben. Aber eben erst nach der Saison. „Es gibt keine Partys, wenn du Rennen fährst. Kein Rauchen, kein Trinken, keine Frauen – nur Arbeit“, sagt Hamilton, „wenn du Frauen abschleppen willst, musst du dir einen anderen Job suchen.“

Oder in einer anderen Zeit leben: „Wir haben vor dem Rennen schon daran gedacht, wie und mit wem wir uns hinterher belohnen würden“, sagt Berger. Das war Mitte der Achtziger, als auch immer der Tod mitfuhr. „Wenn dir dein Renningenieur das Turborad im Cockpit aufgedreht hat vor der Qualifikation, dann wusstest du: Jetzt hast du 1300 PS unter der Haube, die Kugel steckt im Lauf. Aber ob du von deiner schnellen Runde zurückkommst, wusstest du nie“, erinnert sich Berger.

Heute haben Formel-1-Motoren nur noch rund 800 PS, gestorben ist seit dem Katastrophenrennen von Imola 1994, als an einem Wochenende Roland Ratzenberger und Ayrton Senna starben, gottlob keiner mehr.

Nach Sennas Tod begann die Formel 1 umzudenken. Plötzlich hatte die Sicherheit der Piloten Priorität. Die Autos wurden nur noch aus beinahe bruchsicheren Kohlefasern hergestellt und mussten Crash-Tests überstehen. Außerdem wurden auf allen Strecken Auslaufzonen installiert, um Unfälle gegen Mauern unmöglich zu machen. So entstanden immer sicherere, aber freilich auch „immer gesichtslosere Strecken“, wie RTL-Formel-1-Kommentator Christian Danner meint.

Jetzt denkt die Formel 1 wieder um. Ab der nächsten Saison wird es eine Budget-Obergrenze geben, außerdem träumt Ecclestone von der „grünen“ Formel 1. Mit Hilfe von Energierückgewinnungssystemen sollen die Autos, die absurd anmutende 70 Liter pro 100 Kilometer Sprit verbrauchen, etwas umweltfreundlicher gemacht werden. Bernie und die Seinen glauben wirklich, dass die Formel1 ökologisch sein könnte. Genauso wie sie an die Zukunft der Stadtrennen glauben. Kurse durch St. Petersburg, Neu-Delhi und um den Arc de Triomphe in Paris sind geplant. Auch nach Berlin wäre Ecclestone gerne gegangen. Doch das wird nicht passieren. „Das halte ich für undenkbar. In eine Stadt wie Berlin, die im Sommer voll ist mit Touristen, kann man nicht eine solche Emissions- und Lärmschleuder wie die Formel 1 holen", sagte Senatssprecher Richard Menge.Mitarbeit: Peter Hesseler

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