Severin Freund: Zeppelin will hoch hinaus
München - Severin Freund, 1,85m hoch, ist ein Mann der kleinen Schritte. Mit fünf fing er in der Nordischen Kombination an, wechselte zwei Jahre später zu den Springern, startete 2007 erstmals im Weltcup, holte 2011 den ersten Sieg und trug zuletzt gar das „Gelbe Trikot“ des Weltcup-Führenden. Keine steile Karriere, aber eine, die für viel Fleiß steht.
Der Niederbayer, der im April an der Bandscheibe operiert werden musste, reist als deutsche Sieghoffnung zur 61. Vierschanzentournee, schickt sich an, die Dominanz der Österreicher zu brechen. Bundestrainer Werner Schuster adelte ihn vor dem ersten Springen am Sonntag in Oberstdorf (16 Uhr) als „stillen Leader“. Die AZ erklärt den besten Freund aller Zeiten:
1.Geheimnis: Neuerdings schwört Freund auf Yoga. Seine Bewegungsabläufe koordiniert der Tournee-Siebte des Vorjahres mit Übungen aus der Yogi-Lehre. Seine Muskulatur erholt sich schneller. Zudem hilft Yoga, die Körperwahrnehmung zu verbessern.
2.Geheimnis: Freund hat gelernt, mit Druck umzugehen: „Im Training konnte ich meine Bestleistung abrufen, im Wettkampf war ich meistens total verkrampft und sprang nicht mal annähernd so weit wie in der Vorbereitung.“ Er habe zu viel gewollt, dachte zu viel nach. Sein Rezept dagegen: „Den Kopf so gut es geht ausschalten, einfach vom Wind leiten lassen.“
3.Geheimnis: Neun Jahre nach Sven Hannawald schlüpfte mit Freund wieder ein Deutscher ins „Gelbe Trikot“. Die österreichische Konkurrenz um Schlierenzauer, Morgenstern und Kofler war verblüfft. Zumal Freund sehr stabil in der Luft liegt, egal, wie der Wind bläst. Daran hat er im Juli und Oktober im Windkanal des DSV-Sponsors Audi in Ingolstadt gefeilt. Der Vorteil dort: Ein Skisprung ist nach drei Sekunden beendet, im Windkanal bleiben bis zu drei Minuten, um Position und Haltung zu optimieren.
Dennoch vermeidet Freund große Worte: „Es ist eine Ehre, wenn man als Tournee-Mitfavorit genannt wird. Ich möchte um einen Podestplatz mitspringen. Die Hymne zu hören, wäre großartig. Es entspannt, wenn man mit einer guten Form zur Tournee kommt, die einem keiner nehmen kann.“
Stellt sich nur die Frage, ob der stille Herr Freund in der TV-Sportart Skispringen genügend Star-Potenzial besitzt. Dieter Thoma, ARD-Skisprung-Experte, schätzt das Auftreten des DSV-Adlers: „Severin gibt super Interviews, ist sehr sympathisch und professionell“, sagt der Tournee-Gewinner von 1990, „für mich ist er ein bisschen der ‚Doktor Skisprung’. Für den Professor ist er noch ein bisschen zu jung.“ So bleibt es beim Spitznamen „Zeppelin“, den ihm einst der Ex-Mannschaftskollege Jörg Ritzerfeld verpasste – weil das so ähnlich klingt wie Severin.
Der bastelt nun weiter an seiner Karriere, Schritt für Schritt, wie immer. Ein Tagessieg bei der Tournee wäre die nächste Stufe auf der Erfolgsleiter.