Serena Williams: "So ist das Leben"

In einem epischen Drei-Stunden-Match scheitert Serena Williams erstmals zum Auftakt eines Grand-Slam-Turniers. Lindsay Davenport sagt: „So verkrampft habe ich sie noch nie gesehen"
Jörg Allmeroth |
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PARIS Hätte nur noch gefehlt, dass sie Serena Williams an diesem denkwürdigen Abend mit der Trage vom Centre Court transportiert hätten, wie eine ausgeknockte Boxerin. Doch Drama gab’s auch so genug in einem Erstrundenspiel der French Open, das mit einer der größten Überraschungen der jüngeren Grand-Slam-Geschichte endete. Auf zwei Beinen, aber als demoralisierte Verliererin stampfte die jüngere Williams-Schwester um fünf nach neun aus dem Stadion. 6:4, 6:7, 3:6 bezwungen von der leidensfähigen Lokalmatadorin Virginie Razzano (29).

Erstmals verlor Williams, mit zwölf Grand-Slam-Titeln die erfolgreichste Athletin der Epoche, ein Auftaktmatch bei einem der vier Major-Wettbewerbe. 46:0 lautete ihre Bilanz bisher, in 15 Jahren Profilaufbahn – bis sie auf irritierende Weise, ängstlich und zaudernd, eine sichere Führung verspielte. „Ich weiß nicht, was da mit mir passiert ist”, sagte die 30-Jährige, um Fassung ringend, „so ist das Leben. Du kannst dir über nichts sicher sein.”

Spiele wie dieses verliert Williams eigentlich nie, schon gar nicht, wenn sie im Tiebreak des zweiten Satzes 5:1 führt und nur noch zwei Punkte zum Pflichtsieg braucht. Doch seit ihrer Rückkehr auf die Tennisplätze im vergangenen Sommer, nach einer schweren Lungenembolie und fast einjähriger Pause, wird die Diva in entscheidenden Duellen immer öfter von Versagensangst geplagt. Schon bei der sensationellen US-Open-Finalniederlage im vergangenen Jahr wirkte die bullige Kämpferin gegen die Australierin Samantha Stosur wie ein Sensibelchen, dessen Autorität mit jedem Ballwechsel zerbröselte. Bei den Australian Open verlor sie leicht angeschlagen, aber dennoch überraschend in der dritten Runde gegen die ungesetzte Ekaterina Makerowa.

Und nun dieses Schauspiel unterm Eiffelturm, eine filmreife Saga mit Herz, Schmerz und tausend Wendungen – aber doch wieder ohne Happy End für Williams. „Ich kann nicht glauben, dass sie dieses Spiel noch aus den Händen gegeben hat”, meinte Martina Navratilova, die Grande Dame der Branche, „das ist, milde ausgedrückt, sehr erstaunlich.” Lindsay Davenport, ehemalige Nummer 1 und nun Fernsehkommentatorin, schrieb die Niederlage einer „außergewöhnlichen Furchtsamkeit” zu: „So verkrampft, manchmal richtig erstarrt, habe ich Serena noch nie gesehen.”

Jedenfalls ganz anders als Virginie Razzano, die Heldin der Franzosen, die anderntags auf der Titelseite der Sportbibel „L’Equipe” die EM-Kicker verdrängte. Denn auch mit der Siegerin verbindet sich eine besondere Geschichte: Vor einem Jahr war Razzanos Verlobter und Trainer Stephane Vidal kurz vor Turnierbeginn an einem Gehirntumor gestorben. Die Französin trat dennoch an, acht Tage nach dem Tod des Partners. „Ich musste ihm versprechen, hier zu spielen”, sagte sie damals, als sie ihr erstes Spiel verloren hatte. Nun, nach dem „schönsten Sieg” ihrer Karriere, wanderten ihre Gedanken noch mal zurück, zur langen Leidensgeschichte ihres Verlobten, an die schwere Zeit vor den French Open 2011, aber auch an die gemeinsamen Jahre, die so früh endeten: „Er wäre jetzt sicher sehr stolz auf mich, auf seine Kämpferin.”

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