Serena schwebt

Die jüngere Williams-Schwester triumphiert bei den US Open und ist nach fünf Jahren Pause wieder die Nummer eins. „Ich galt als erledigt, da sind solche Siege natürlich viel süßer“
von  Abendzeitung
Serena-spring-ins-Glück: So feierte Siegerin Williams ihren Triumph bei den US Open. Foto: AP
Serena-spring-ins-Glück: So feierte Siegerin Williams ihren Triumph bei den US Open. Foto: AP © dpa

Die jüngere Williams-Schwester triumphiert bei den US Open und ist nach fünf Jahren Pause wieder die Nummer eins. „Ich galt als erledigt, da sind solche Siege natürlich viel süßer“

NEW YORK Es war Punkt 23.31 Uhr, als Richard Williams im ausverkauften Arthur-Ashe-Stadion in New York zitternd seine Kamera zur Seite legte. Er starrte nur noch gebannt auf das Spielfeld. So entgingen dem berühmtesten Tennisvater der Welt, einem passionierten Hobbyknipser, nach dem US Open-Sieg seiner Tochter Serena gegen die Serbin Jelena Jankovic (7:5, 6:4), ein paar der spektakulärsten, aufwühlendsten und emotionalsten Fotos fürs Familienalbum.

„Die Freude war überirdisch. Es war ein Gefühl, als ob du über der Erde schwebst", sagte die jüngere der Williams-Schwestern, die auf dem harten Betonboden der größten Tennisarena der Welt wie eine Trampolinturnerin umherhüpfte, erst einen halben Meter hoch, dann scheinbar einen Meter hoch – irgendwie hoch und höher, als wolle sie in ihrer Ausgelassenheit alle Grenzen sprengen.

Beendet war am 7. September 2008 ein turbulenter, ungewisser und langer Marsch durch die Tennis-Institutionen zurück an die Weltspitze – auf den Gipfel der Rangliste, auf Platz 1: „Leute, es ist einfach wunderbar. Das ist der Lohn für die harte Arbeit", stammelte die Gewinnerin, bevor sie Gott, der Welt und ihrem Familienclan dankte, nicht zuletzt auch Schwester Venus, die sie am Mittwoch im eigentlichen Endspiel geschlagen hatte – einem Finale vor dem Finale, das leider schon im Viertelfinale stattfand. Neun Jahre nach ihrem Major-Debütsieg gegen Martina Hingis im „Big Apple" und sechs Jahre nach ihrem vorerst letzten New Yorker Titelerfolg im „Sister Act" gegen Venus waren Genugtuung und Stolz bei der bulligen Fighterin größer als je: „Ich bin abgeschrieben worden, galt als erledigt. Da sind solche Siege natürlich viel süßer", sagte die 26-Jährige, die zuletzt am 10. August 2003 die Tennis-Hitparade angeführt hatte.

Gepeinigt von Verletzungen, abgelenkt aber auch von Ausflügen ins Modebusiness und in die Filmindustrie, hatte Serenas Karriere im Jahr 2006 mit dem Sturz auf Platz 139 der Weltrangliste einen vernichtenden Tiefpunkt erreicht. „Die Motivation war vorher gleich Null gewesen. Aber ganz unten habe ich mir gedacht: So kannst du nicht abtreten und aufhören im Tennis", sagte Serena, die mit ihrem Triumph ein filmreifes Comeback wie einst nur Landsmann Andre Agassi hinlegte.

Der war Ende letzten Jahrzehnts ebenfalls nach einer Sinnkrise und dem Absturz ins Mittelmaß (Platz 141 der Rangliste) wieder an die Spitze gestürmt. 2006 hatte Tennislegende Chris Evert in einem Offenen Brief die jüngere Williams-Schwester sogar noch aufgefordert, „aufzuhören, ihr einmaliges Talent zu verschleudern: Wenn Du willst, kannst Du jederzeit die beste Spielerin der Welt sein."

Welche Leidenschaft und welche Power noch immer in ihr stecken, der härtesten Tennispuncherin überhaupt, das zeigte der fabelhafte Siegeslauf bei den Australian Open 2007: Da gelang ihr im Finale gegen Maria Scharapowa der Titelgewinn. „Das war der Durchbruch. Das Turnier, das mich als Tennisspielerin am Leben erhalten hat", sagte Serena. 2008 gelang ihr der Einzug ins Wimbledon-Finale, doch dort regierte unbarmherzig die geliebte Schwester und Siegerin Venus. In New York folgte nun die familieninterne Revanche, der Turniersieg und der Satz auf Platz 1.

Sie ist, genau wie Big Sister Venus eine, die sich von den Autoritäten und Funktionären wenig sagen und diktieren lässt. „Die Freude am Spiel ist bei ihr zurückgekehrt. Sie ist in dieser Verfassung nur schwer zu stoppen", sagte Daddy Richard „Ihre Schläge sind überwältigend", meinte Jankovic, der im Finale die Hände schmerzten, weil Serena so gewaltig auf den Ball gehauen hatte.

Verzichten konnte und kann der Tenniszirkus jedenfalls noch längst nicht auf diese Spielerin, deren große Spiele immer auch großes Drama bieten, großes Theater auf großer Bühne. „Wenn man alles gibt, wenn man an sich glaubt, wird man auch belohnt", sagte Serena.

Belohnt mit dem Sieg, mit dem Platz ganz oben auf dem Tennisthron.

Jörg Allmeroth

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