Segeln auf Speed
Team Oracle gegen Team New Zealand: Drama bei Tempo 80. Bei der Jagd vor San Francisco droht dem Favoriten das Aus
SAN FRANCISCO Speed und Drama, blanke Nerven und ein strauchelnder Top-Favorit. Das rasanteste Sport-Duell findet in der Bucht von San Francisco statt.
Im Kampf um den „America’s Cup“ fing Titelverteidiger und Lokal-Matador Team Oracle USA die Niederlagen fünf und sechs ein. Die Segelwelt steht Kopf. 6:0 für die Herausforderer von Team New Zealand – das hatte kein Experte auf der Rechnung.
Der America’s Cup ist ein Spektakel der Sonderklasse, Die Bilder sind auch für Laien überwältigend. 22 Meter lang und 14 Meter breit sind die Zwei-Rumpf-Boote, die derzeit durch die Bucht von San Francisco schneiden wie Rasierklingen durchs Papier. Angetrieben werden die Carbon-Katamarane vom Wind – und von einem 40 Meter hohen Flügel am Mast. Er ist größer als der eines Jumbo-Jets, und er lässt sich, wie am Jet, durch Klappen trimmen. Nix mit weißen Tüchern!
Wenn es bläst – und es bläst oft in der Bay an der Golden Gate Bridge – dann hebt es nicht nur einen, sondern alle beide Rümpfe aus dem Wasser. Die 5300-Kilo-Boote plus elf Mann Besatzung sind nur noch durch den „Foil“, einen Unterwasser-Tragflügel von der Fläche eines größeren Surfbretts, mit dem Wasser verbunden. Mit Geschwindigkeiten von knapp 80 km/h waren die Boote fast drei Mal so schnell wie der Wind.
Ausgedacht haben sich die Technik-Ungetüme die Leute um Russell Coutts (51). Der Neuseeländer ist America’s-Cup-Legende in Diensten von US-Computer-Milliardär Larry Ellison. Im Auftrag des bärbeißigen Chefs von „Oracle“ sollte Teamchef Coutts Segeln aus der elitären Nische holen.
Mehr Geschwindigkeit, mehr Drama, mehr TV-gerechte Action, vor tausenden Zuschauern an Land – das ist Coutts gelungen. Ellison bürgt dafür, dass Geld keine Rolle spielt. Dass nebenbei kaum Konkurrenten Lust hatten, geschätzte 200 Millionen Dollar in die Konstruktion und die Teams zu stecken, nahm Ellison billigend in Kauf: Erleichtert die Titelverteidigung beim ältesten Wettbewerb der Sportgeschichte, mag er sich gedacht haben. Er hat sich gründlich getäuscht.
Die haushohen Favoriten um Oracle-Skipper James Spithill fahren hinterher. Völlig überraschend dominieren die „Kiwis“ von Team New Zealand die Rennen. Finanziert werden die Neuseeländer von „Emirates“, also vom ewig sprudelnden Öl-Geld am Golf. Und die Rechnung geht auf für die Herausforderer. Sechs Siegen steht eine Niederlage gegenüber. Weil Oracle wegen Regelverstößen zwei Punkte abgezogen werden, steht es 6:0.
Kiwi-Skipper Dean Barker (40) hat das bessere Boot. Es wendet schneller und ist schneller auf Kreuzkursen gegen den Wind. Ein Riesendebakel für Oracle. Das Team konnte sich als Titelverteidiger Regeln, Schiff und Austragungsort des Wettbewerbs auf den Leib schneidern.
Bei allen technischen Superlativen – entscheidend ist wieder mal der Mensch. Zur tragischen Figur wurde Oracle-Taktiker John Kostecki, ein großer Name in deutschen Seglerkreisen. Der 49-Jährige führte 2002 beim Volvo-Ocean-Race das Illbruck Syndikat siegreich um die Welt. Doch ausgerechnet in der heimischen Bay verlor der Mann aus San Francisco die Orientierung. Er ließ falsch wenden, berechnete Strömungen und Winde falsch. Kostecki flog aus dem Team, wurde durch den vierfachen britischen Olympiasieger Ben Ainslie ersetzt. Es half nichts.
Wenn den Amis nichts mehr einfällt und wenn das Boot der Kiwis hält, dann kann Neuseeland bis Sonntag die nötigen Punkte für den Gesamtsieg einfahren. Die Sensation liegt in der Luft, oder im Wasser, oder irgendwo dazwischen. Matthias Maus Die nächsten Rennen: Samstag ab 22 Uhr. Livestream: hier
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