Schusters Auslaufmodelle
Nach dem desaströsen Tournee-Auftakt rügt der Skisprung-Bundestrainer die Routiniers Schmitt, Uhrmann und Neumayer: „Eine Generation,die nicht mehr zu großen Leistungen fähig ist“
OBERSTDORF Werner Schuster hatte kein Glück. Mit keinem seiner Springer. Nicht einmal mit Harri Olli. Den Finnen hatte der deutsche Bundestrainer vor Tournee-Beginn zum Geheimfavoriten ernannt: „Auf den würde ich mein Geld setzen.“ Jetzt ist auch Olli keinen Pfifferling mehr wert. Der kam in Oberstdorf lediglich auf Platz 17. Sogar noch hinter Pascal Bodmer, dem besten Deutschen.
Das Springen in Oberstdorf war ein desaströser Auftakt in die Vierschanzentournee, der schlechteste für die DSV-Springer seit 24 Jahren, und darum ging es danach auch ganz ruhig zu im Team-Quartier. Ein gemeinsames Abendessen, danach Einzelgespräche von Schuster mit seinen Sportlern, sachliche Fehleranalyse, emotionale Aufbauarbeit. „Draufzuhauen und viel Tamtam zu machen, davon halte ich nichts“, sagte er.
„Hohes Licht“ war übrigens der Name des Mannschaftshotels, eine Frauenklinik, in der der DSV Zimmer angemietet hat. „Leider ist uns das Licht nicht aufgegangen", sagte Schuster. Dafür geht es dem Patienten Skisprung recht schlecht: Bodmer auf 12, Schmitt auf 23, sonst keiner im Finale beim verregneten Wasserski-Springen von Oberstdorf.
Natürlich sprach Schuster tags darauf von den widrigen Bedingungen, und dass seine Landsleute, die Österreicher, von denen vier unter die besten sechs sprangen, Vorteile hätten. Wegen besseren Materials, besserer Athletik, während die DSV-Springer eher „Flieger-Typen" seien. Und im Regen weit fliegen, das ginge nicht. Schuster sprach dann noch vom „Österreicher-Wetter“. Im Fußball hieß das früher immer Fritz-Walter-Wetter.
„Es kann eben nicht immer die Sonne scheinen“, sagte Schuster, „manchmal steht man auch im Regen.“ Und dann steht einem das Wasser auch ganz schnell bis zum Hals.
Vor allem den alten Routiniers, denen selbst Schuster nicht mehr viel zutraut. „Eine auslaufende Generation“, sagte er am Tag danach, „eine, die nicht mehr zu großen Leistungen fähig ist. Die Kurve der älteren Springer geht nach unten.“ Bei Schmitt, aber vor allem auch bei Michael Uhrmann (31), Team-Olympiasieger 2002, am Dienstag mit Platz 50 Letzter. Oder bei Michael Neumayer (30), vor zwei Jahren noch Gesamt-Dritter der Tournee, nun ebenfalls nicht im Finale. Auch weil sie zu eingefahren sind in ihrer Sprungtechnik, sich nicht mehr flexibel umstellen können auf andere Bedinungen. „Das ist wie bei einem Tennisprofi“, sagte Schuster, „dem kann ich mit 30 auch keine neue Vorhand mehr beibringen.“ Aber Schuster muss weiterarbeiten mit seinen Auslaufmodellen, weil außer Bodmer die jungen Hupfer in der Mannschaft auch noch keine echte Konkurrenz sind.
„Wir baden da noch die Sünden der Vergangenheit aus“, sagte Schuster. Weil es der DSV versäumte, in den Boom-Zeiten um Schmitt und Sven Hannawald eine langfristige Strategie zur Nachwuchsarbeit festzulegen, wie es die Österreicher taten. „Die waren vor zehn Jahren weg“, sagte Schuster, „jetzt springen sie alles in Grund und Boden. Mit ihren Wissenschaftlern, ihrer Ausbildungsphilosophie. Das ist bei uns versäumt worden." Und er selbst, der Österreicher aus dem Kleinwalsertal, seit eineinhalb Jahren für den DSV im Amt, brauche da noch Zeit, damit sein Konzept aufgeht.
Die Aussichten sind erst einmal düster. In zweifacher Hinsicht. Zum einen für die nahe Zukunft des deutschen Skisprungs. „Vielleicht müssen wir uns noch auf das Schlimmste einstellen“, sagte Schuster, „vielleicht haben wir den Tiefpunkt noch nicht erreicht.“ Zum anderen für Neujahr. Für das zweite Springen in Garmisch-Partenkirchen (13.45 Uhr, ZDF live) prophezeien die Meteorologen Regen. Österreicher-Wetter.
Florian Kinast
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