Schuster sucht das Land

Vor dem Skisprung-Auftakt am Freitag: Der neue Bundestrainer kommt aus Tirol und versucht, die abgestürzten Adler – anders als sein Vorgänger – mit guter Laune zu Höhenflügen zu verleiten.
von  Abendzeitung
Natürlich geht es fast immer nur abwärts beim Skispringen. Aber mit den deutschen Startern soll es auch wieder aufwärts gehen, dafür will der neue Bundestrainer Werner Schuster sorgen.
Natürlich geht es fast immer nur abwärts beim Skispringen. Aber mit den deutschen Startern soll es auch wieder aufwärts gehen, dafür will der neue Bundestrainer Werner Schuster sorgen. © Bongarts/Getty Images

Vor dem Skisprung-Auftakt am Freitag: Der neue Bundestrainer kommt aus Tirol und versucht, die abgestürzten Adler – anders als sein Vorgänger – mit guter Laune zu Höhenflügen zu verleiten.

KUUSAMO Gestern, im hohen Norden Finnlands, da sprach Werner Schuster von einem berühmten Landsmann. Von Niki Lauda. „Der Niki hat immer gesagt, man muss erst einmal drei Formel-1-Rennen fahren, damit man weiß, wo man steht“, erklärte Schuster und meinte damit, dass er auch erst so Mitte Dezember einschätzen kann, wie gut seine Skispringer wirklich sind. In Pragelato, nach den beiden Auftakt-Weltcups an diesem Wochenende in Kuusamo und danach in Trondheim.

Der Vergleich passte ja irgendwie, schließlich wurden die Skispringer auch gerne als „Formel 1 des Winters“ bezeichnet. Eine Zeit lang zumindest, als RTL noch übertrug die Vierschanzentournee zum Event hochjazzte. Doch schon seit Jahren stotterte der Motor, es gab eine Fehlzündung nach der anderen. Jetzt wollen sie wieder Gas geben, mit dem 39-jährigen Schuster, dem neuen Trainer aus Tirol.

Acht Jahre lang sprang er selbst im Weltcup, ein guter Mann, aber kein Überflieger. Zweiter war er einmal, 1988 in Sapporo, aber das war weit weg und bekam deswegen auch kaum einer mit. Mehr Erfolg hatte er später, er studierte in Innsbruck Sport und Psychologie, machte danach den Trainerschein, betreute am Skigymnasium Stams einen jungen Mann namens Gregor Schlierenzauer. Der ist inzwischen 18 und bereits dreimaliger Weltmeister.

Nach einem Jahr als Schweizer Cheftrainer wechselte Schuster in diesem Frühling zum DSV. Als Nachfolger des glücklosen Peter Rohwein. Unter dem war deutsches Skispringen zu einer ganz traurigen Veranstaltung geworden, was die Leistung anging, vor allem aber auch die Außendarstellung.

Rohwein schlich stets mit geplagter Leidensmiene um die Schanzen herum, seine Springer taten es ihm nach. Doch mit Schuster änderte sich das, allein in den letzten Wochen sah man ihn häufiger lachen als Rohwein in seinen dreieinhalb Jahren Amtszeit zusammen.

„Ich habe versucht, den Springern Freude und Selbstwertgefühl wieder zu geben“, sagte er gestern der AZ, „sie brauchen wieder ein starkes Selbstbewusstsein, nur dann können sie erfolgreich sein.“ So schien es ihm weniger darum zu gehen, Anfahrtspositionen und Absprungtechniken zu stabilisieren als viel mehr Geist und Seele.

Er vermittelte ihnen, dass sie gar nicht mehr so weit weg sind von der Weltspitze, was die Springer motivierte, noch besser und intensiver zu trainieren. Schusters Credo: „Wenn Land in Sicht ist, dann rudern die Leute auch schneller.“ Zuletzt war kein Ufer am Horizont, die Springer stocherten auf hoher See im trüben Wasser herum, ohne Ziel.

Seine eigenen Ziele hat Schuster klar formuliert. „Ich möchte den Athleten helfen, einen Schritt weiterzukommen. Sollte ich diese Energie nicht mehr spüren, wäre das ein Grund zum Aufhören.“ Und noch einen Grund zum Hinwerfen gäbe es. „Wenn ich merke, dass ich meine Arbeit mit den Bedürfnissen meiner Familie nicht mehr Einklang bringe.“ Wenn seine Frau Annika darunter leiden müsste und die Söhne Jonas (5) und Jannick (2), mit denen er in Mieming lebt, am Fernpass zwischen Garmisch und dem Oberinntal.

Die Erwartungen sind hoch, das weiß auch Schuster, weshalb er auch die Rolle des Wunderheilers ablehnt. „Ich stehe nicht für Hokuspokus“, sagte er noch, „sondern nur für fundierte Arbeit.“ Eigentlich ist es für seine Sportler ganz einfach. Sie müssen nur weiterrudern. Immer schneller.

Florian Kinast

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