Schumi macht Werbung – für Vettel

Rekordweltmeister Michael Schumacher, offiziell Ferrari-Berater, ist zurück an der Strecke – und weiß nicht, was er dort zu tun hat
HOCKENHEIM Die herzlichste Umarmung schenkte Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher gleich dem ersten Menschen, der ihm im Fahrerlager über den Weg lief. Balbir Singh, zehn Jahre lang Schumis Masseur, ständiger Begleiter und auch persönlicher Ratgeber in allen philosophischen Lebensfragen. Der Inder Singh arbeitet seit diesem Rennen am Hockenheimring bei Force India und knetet ab sofort Giancarlo Fisichella und Adrian Sutil.
Der Inder Singh hat seinen Formel-1-Ruhestand also beendet, sein Freund Schumi wirkte das ganze Wochenende eher wie ein Formel-1-Tourist auf Durchreise. Zwar erklärte der siebenmalige Weltmeister nun in einem Interview mit dem „Stern" zum ersten Mal, was er in seinem jetzigen Job als Ferrari-Berater eigentlich so macht. „Ich bin nah dran am Formel-1-Team, nehme an Meetings teil und weiß auch über alle Details Bescheid", erzählte er dem Blatt – während des Qualifyings und des Rennens lümmelte der Kerpener aber in seinen blauen Jeans und dem roten Ferrari-Hemd mit ziemlich unbeteiligter Miene am Kommandostand herum.
Schon am Samstag hatte Schumi allerdings gezeigt, wie weit weg die Formel 1 für ihn, rund eineinhalb Jahre nach seinem Rücktritt, tatsächlich bereits ist. „Ich habe am Kommandostand nicht so viel zu tun", gab er unumwunden zu, „wir haben auch kaum Probleme mit den Autos, und ich halte mich dementsprechend zurück."
Und wie: Von RTL-Reporter Kai Ebel gefragt, wer denn das letzte Rennen in Hockenheim gewonnen hätte, antwortete Schumi nur: „Keine Ahnung." Tatsächlich war er selbst es gewesen!
Andererseits: Wieso sollte er auch? Schumi hat ganz anderes zu tun. Er fährt Motorrad, er schaut hin- und wieder bei Ferrari vorbei, kümmert sich viel um seine Familie, er turtelt mit seiner Frau Corinna, die zum ersten Mal seit Schumis Rücktritt wieder an der Rennstrecke war – und er macht Werbung für Sebastian Vettel. „Er ist ein wirklich großartiger Fahrer", sagte Schumacher am Hockenheimring über den 21-Jährigen, der gestern beim Sieg von Lewis Hamilton in seinem Toro Rosso als Achter ins Ziel kam und immerhin einen Punkt holte. Vettel hat am Donnerstag einen Vertrag bei Red Bull unterschrieben, doch das wird wohl nur eine Zwischenstation auf dem Weg zu Ferrari sein. Schumi scheint sich auf Vettel als seinen Nachfolger als deutscher Champion festgelegt zu haben. Über keinen Piloten spricht er so gerne, mit keinem Piloten spricht er abseits der Strecke so viel wie mit Vettel.
Es scheint, als ob Schumacher wirklich darauf hoffen würde, dass Vettel so schnell wie möglich die Rolle einnimmt, die er innehatte. Als ob auch er sich nach einem deutschen Champion sehnen würde. Um noch weniger in der Öffentlichkeit zu stehen, um sich noch mehr in sein neues Leben verlieben zu können. Also lobt er Vettel.
Auch, wenn dem das gar nicht so recht ist. „Egal, was zu diesem Thema in Deutschland geredet, interpretiert und gewünscht wird, es hilft mir nicht", sagt Vettel. „Die Vorstellung, die Leistung von Michael zu übertrumpfen, bestimmt nicht meinen Alltag." Vielleicht aber seine Zukunft.
Filippo Cataldo