Schumachers heißer Reifen
BARCELONA Gewicht hat Michael Schumachers Wort schon noch in der Formel 1. Aber eben nicht viel mehr als das aller anderen 23 Fahrer. Dass der Rekordweltmeister seine Sonderstellung im Zirkus der rasenden Autofahrer eingebüßt hat, konnte man in den letzten Wochen erleben.
Nach dem Rennen in Bahrain, bei dem Schumacher als Zehnter gerade mal ein WM-Pünktchen holte, beschwerte sich der 43-Jährige lauthals über die Reifen in der Formel 1, mit denen richtiges Rennfahren nicht möglich sei. „Man muss sich die Frage stellen, ob man solche Reifen haben sollte, ob sie eine solch große Rolle spielen oder lieber länger halten sollten. Wir fahren mit 60, 70 Prozent durch die Kurve, sonst fliegen einem die Reifen um die Ohren. Ich finde das dann doch nicht ganz so passend”, ätzte er.
Während früher, als Schumi die Formel 1 noch nach Belieben dominierte, wohl ein Aufschrei durch die Szene gegangen wäre und der Reifenhersteller umgehend Besserung versprochen hätte, erntete der Kerpener diesmal nur: Spott. Und sogar ein wenig Häme. „Wenn ein Fahrer verärgert ist und 23 sind zufrieden, dann können wir nicht viel machen”, so die bissige Replik von Paul Hembery, dem Motorsportdirektor des Reifenfabrikanten Pirelli. Er verstehe Schumachers Frust. Der Rekordweltmeister fährt schließlich hinterher.
Vor dem Rennen in Barcelona am Sonntag (14 Uhr, RTL und Sky live), bei dem Schumacher und sein Teamkollege Nico Rosberg auf den erkrankten und in England gebliebenen Teamchef Ross Brawn verzichten müssen, erneuerte Schumacher seine Kritik an den Gummis, die zu schnell zu heiß werden würden und sich zu schnell in Luft auflösen würden. „Wir fahren wie auf rohen Eiern”, sagte er.
Tatsächlich bauen die Pneus in dieser Saison extrem schnell ab, doch das war – um die Spannung zu erhöhen – genau der Auftrag an Pirelli. Erfolgreich sein können dieses Jahr nur Fahrer, die sorgsam mit ihren Reifen umgehen, Reifenflüsterer wie McLaren-Pilot Jenson Button oder Schumachers Teamkollege Nico Rosberg, der in China den ersten Silberpfeil-Sieg seit 1955 einfuhr. Schumachers eher rabiater Fahrstil aber gilt als reifenfressend, und auch die Konstruktion des Silberpfeils scheint für die Reifen eher schädlich zu sein.
Blöd nur, dass Schumacher auch in seinem eigenen Rennstall nur wenig Verständnis für seine Probleme mit den heißen Reifen bekommt. Rosberg bestätigte zwar grundsätzlich, dass die Reifen sehr schnell abbauen würden: „Das ist ein ganz anderer Sport. Man kann nicht eine Runde Vollgas fahren, das ist wie auf Eis”, sagte er. Doch Rosberg bewertete die Situation völlig anders: „Aber das ist auch eine Herausforderung, ich finde das interessant”, sagte er.
Auch Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug ist anderer Meinung als sein Star-Pilot. „Die Reifen sind eine Challenge von vielen", sagte er. Die Bedingungen seien aber für alle gleich. Haug findet sogar, dass die wenig haltbaren Reifen die Formel 1 attraktiver und spannendergemacht hätten. Schumachers Meinung sei aber verständlich und legitim. Bei den Testfahrten vergangene Woche in Mugello absolvierte Schumacher mehr als 1700 Kilometer. Ob er auf seine alten Tage doch noch zum Reifenflüsterer wird?