Schumachers gebremste Leidenschaft

Michael Schumacher leidet wegen seines geplatzten Comebacks. Dennoch träumt er weiter von der Formel.
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Michael Schumacher hat die Pressekonferenz sichtlich mitgenommen.
dpa Michael Schumacher hat die Pressekonferenz sichtlich mitgenommen.

GENF - Michael Schumacher leidet wegen seines geplatzten Comebacks. Dennoch träumt er weiter von der Formel.

Er gehört hier nicht hin. Nicht jetzt. Michael Schumacher säße jetzt sicher lieber allein in einem feuerroten Flitzer als auf diesem Podium im gold-schwarz geschmückten Saal des luxuriösen Genfer Interconti-Hotels.

Michael Schumacher, diese Mensch gewordene Rennfahrmaschine, hat nie gerne über seine Gefühle gesprochen. Doch so schlimm wie dieses Mal war es wohl noch nie. Er muss er über eine Niederlage sprechen; muss erklären, wieso er beim nächsten Rennen in Valencia doch nicht seine Rückkehr in die Formel 1 feiern kann. Er muss zugeben, dass er im Februar bei einem Motorradunfall nur durch Glück an einer Lähmung vorbeigeschrammt ist.

Er macht das mit glasigen Augen, unter denen tiefe Ringe zu sehen sind. Auf der Stirn kräuseln sich zudem die Falten wie Wellen im Ozean. „Es tut mir extrem leid, dass ich nicht die Euphorie und Emotionen der Jungs bei Ferrari und der Fans mit unterstützen kann“, sagt er, die Stimme leise, brüchig. Sein größter Schmerz sei es, dass er nun nicht seinem Freund Felipe Massa helfen könne. „Es geht einfach nicht“, sagt er. Schumacher leidet noch immer an den Spätfolgen seines Motorradunfalls im Februar in Spanien. Und diese sind noch schlimmer als nach seiner Rückzugsankündigung des Vortags zu befürchten war. Schumachers Leibarzt Johannes Peil erklärt in schonungsloser Offenheit, dass sich der Rekordweltmeister damals den siebten Halswirbel und eine Rippe gebrochen hatte. Außerdem war der so genannte linke Atlas zerborsten. Jener erste Halswirbel, der den gesamten Kopf trägt. Bis heute ist der nicht wieder richtig verheilt und bereitet ihm diese vermaledeiten Schmerzen im Nacken, die ihn an der Rückkehr ins Renncockpit hindern. Und mehr noch: Ein bisschen Pech und Schumacher säße heute im Rollstuhl. Auch eine Arterie, die das Kleinhirn mit Blut versorgt, war bei jenem fatalen Aufprall auf den Asphalt in Mitleidenschaft gezogen worden. „Das Kleinhirn ist für die gesamte Motorik zuständig. Jeder kann sich ausdenken, was da hätte passieren können“, sagt Peil.

Es ist die erschütternde Diagnose von Schumachers schlimmsten Unfall seiner Karriere, die Peil da geduldig auf deutsch und englisch vorträgt. Schumacher sitzt derweil mit zusammengepressten Lippe neben seinem Leibarzt und wirkt wie auf seiner eigenen Beerdigung. Es ist ein gebrochener Mann, der an diesem Nachmittag in Genf vor der Weltöffentlichkeit steht.

Ein Mann, der helfen will, aber nicht kann, der gebremst wird. Ein Mann, der seine Leidenschaft wieder gefunden hat. Ein Mann, der den Fahrtwind, die Fliehkräfte, das Adrenalin wieder spüren will, aber nicht darf. „Das ist im Moment die härteste Phase, die ich in meiner Karriere hatte“, sagt er. Eine Karriere, die so nicht enden sollte.

Und möglicherweise auch nicht enden wird. Denn Schumacher, der sich vor drei Jahren mit Würde aus dem Rennzirkus verabschiedet hatte, als „die Akkus leer waren“, wie er sagt, scheint wieder Blut geleckt zu haben. „Wenn ich meinen Doktor richtig verstanden habe, gibt es rein medizinisch keine Gründe, warum ich keine Formel-1-Rennen mehr fahren könnte“, sagt er. Peil stimmt dem zu.„Der weitere Heilungsprozess wird zeigen, wie intensiv er seine Bestform zurückgewinnen kann, um wieder Motorrad-, Kart- oder auch Formel-1-Rennen zu fahren“, sagt der Arzt.

Im Moment aber fühle „ich mich nicht in der Lage, jetzt über die Zukunft nachzudenken“, sagt Schumacher. Dafür sitzt der Stachel des Scheiterns noch zu tief. Andererseits scheint ihn das Adrenalin wieder gepackt zu haben. Ausschließen sollte man bei Schumacher nichts mehr.

Filippo Cataldo

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