Schumacher-Drama: So gefährlich ist Skifahren
Wenn wenig los ist, wenn es weg von der Piste geht, wenn sich Neulinge überschätzen – die größten Risiken: 43000 Verletzte pro Saison. Kopfverletzungen sind rückläufig.
München – Immer schnelleres Material, immer mehr Fahrer auf den Pisten, immer mehr Tempo auf den Hängen – Skifahren wird immer gefährlicher. Das stimmt und stimmt so nicht. Spektakuläre Fälle wie der von Michael Schumacher lenken die Aufmerksamkeit auf die Gefahren. Aber die Statistiken sprechen eine andere Sprache, und auch der Fall Schumacher ist besonders.
Ja, er fahre gerne schnell, sagte Schumacher vor zwei Jahren dem Ski-Magazin. Filmaufnahmen von Schumacher auf der Piste zeigen einen flotten, geübten Fahrer. Das Tempo des Kerpeners raubt dem durchschnittlichen Münchner Schnellfahrer aber nicht den Atem. Und bei seinem Unfall war Schumi nicht besonders schnell. „Ein ganz normales Kurvenmanöver“, berichtet seine Managerin Sabine Kehm: „Er fiel über einen Stein und stürzte auf einen anderen Stein“. Bei so unglücklichen Umständen genügt auch relativ geringe Geschwindigkeit.
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Wieviele Verletzte gibt es? Laut Auswertungsstelle für Skiunfälle (ASU) verletzten sich von den rund 4,2 Millionen Skifahrern in der vergangenen Saison zwischen 41000 und 43000. Das ist geringfügig weniger als im Jahr davor. Der Eindruck, es passiere mehr, beruht auf häufigeren Einsatz von Hubschraubern, die das ganze Ski-Gebiet mitbekommt.
Was sind die häufigsten Verletzungen? Laut ASU-Studie steigt das Risiko von Knie- und Schulterverletzungen. Dort sind auch die Folgekosten besonders hoch.
Wie schaut es mit Kopfverletzungen aus? Seit 1979 erhebt die ASU Daten. Seitdem ist die Zahl der Kopfverletzten zurückgegangen – um drastische 58 Prozent: „Der Rückgang ist auf die deutlich gestiegene Neigung zum Helmtragen zurückzuführen“, sagt Michael Berner, Sicherheitsexperten vom deutschen Skiverband (DSV). 2009 gab es den Althaus-Effekt. Die Skihelm-Hersteller verzeichneten Rekordumsätze, nachdem der damalige Thüringer Ministerpräsident Dieter Althaus in Österreich mit einer Skifahrerin zusammenprallte. Die Frau trug keinen Helm und starb, er trug einen Helm und überlebte schwer verletzt.
Ist das Material schuld? Mit den taillierten Carving-Skiern lernt es sich leichter als früher. Und Neulinge überschätzen schnell ihre Fähigkeiten.
Machen Helme leichtsinniger? „Die These, mit Helm und Rückenprotektor steige der Hang zum Risiko, ist zwar beliebt aber falsch,“ sagt David Schulz, Leiter der ASU: „Die These von der Risikokompensation ist wissenschaftlich widerlegt.“ Höchstens anfänglich nach Einführung des Produkts sei das Phänomen zu beobachten. Auf jeden Fall: „Die Schutzwirkung der Präventionsmaßnahme ist deutlich größer als die Nebenwirkung der Risiko-Kompensation“ heißt es bei der ASU.
Mehr Verkehr gleich mehr Unfälle? Früher zogen Einfach- oder Doppelschlepper die Skifahrer langsam nach oben, es staute sich am Lift. Heute schaufeln in den Skischaukeln moderne Achtfach-Sessellifte bis zu 3000 Menschen pro Stunde auf die Piste: Wartezeiten sind passé, es ist deutlich mehr los auf den Pisten. Aber: „Studien belegen, dass es weniger schwere Unfälle gibt, je voller die Pisten sind,“ so Sicherheitsexperte Michael Berner vom DSV.
Was sind die größten Risiken? „Wenn die Pisten leer sind, und das Material gut läuft, dann steigt die Häufigkeit schwerer und schwerster Unfälle,“ sagt Berner. Leere Pisten locken manchen Fahrer ans Limit, der Fahrer konzentriert sich voll auf seine Skikontrolle und sonst auf wenig: Es kommt zum Tunnelblick und zu Kollisionen mit womöglich schweren Verletzungen. Der Fall Althaus gilt als Paradebeispiel. Kollisionsunfälle haben ein Allzeithoch erreicht, heißt es bei der ASU.
Wo ist es am gefährlichsten? Michael Schumacher war nur wenige Meter abseits der präparierten Piste unterwegs: Dort endet die „Verkehrssicherungspflicht“ der Skigebietsbetreiber. Dort gibt es Bäume, Wurzeln und Felsen. Ein Aufprall hat heftige Folgen: „Alles was starr ist, ist schlecht“. Da hilft auch der Helm nicht mehr viel, dessen Sicherheitspolster bei Tempo 50 endet – zu wenig für einen Aufprall auf einen Felsen.
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