Schüttler schafft die Sensation
LONDON - Es war ein Spiel, wie es spannender nicht sein konnte. Schuld daran war der deutsche Tennis-Profi Schüttler selbst. So hat er hintereinander sechs Satzbälle vergeben. Danach folgten mehrere Regen-Unterbrechungen.
Im Regenlotto von Wimbledon hat Tennis-Oldie Rainer Schüttler die Sensation geschafft und ist als erster Deutscher seit Michael Stich 1997 ins Halbfinale eingezogen. Nach einer Achterbahnfahrt der Gefühle und einer langen Nacht der Ungewissheit rang der 32-Jährige am Donnerstag den zwei Jahre jüngeren Franzosen Arnaud Clement nach insgesamt 5:11 Stunden mit 6:3, 5:7, 7:6 (8:6), 6:7 (7:9), 8:6 nieder und ließ sich dabei auch von zwei weiteren Zwangspausen im verregneten London nicht aufhalten.
Es ist der größte Erfolg des Australian-Open-Finalisten von 2003 auf dem «Heiligen Rasen», der ihn zurück unter die besten 40 Tennisprofis der Welt katapultieren wird. Auch ein Preisgeld von 236.750 Euro ist ihm schon sicher. Das Viertelfinale der ältesten Spieler der diesjährigen All England Championships war am Mittwochabend vertagt worden.
Bei seinem märchenhaften Comeback kommt es für den vor Wimbledon nur auf Platz 97 der Weltrangliste notierten Schüttler nun knüppeldick. In der Vorschlussrunde an diesem Freitag erwartet ihn gegen den zweimaligen Finalisten Rafael Nadal eine kaum lösbare Aufgabe. Der Spanier hat sich bei dem von Roger Federer seit fünf Jahren dominierten Grand-Slam-Turnier von Match zu Match gesteigert, was schon Nicolas Kiefer im Achtelfinale erfahren musste. Federer wird vom überraschend starken Russen Marat Safin geprüft, gegen den er von zehn Vergleichen bislang acht gewonnen hat. Der Branchenprimus aus der Schweiz könnte mit dem sechsten Wimbledonsieg in Serie den Rekord des Schweden Björn Borg überbieten.
Williams im Endspiel
Titelverteidigerin Venus Williams buchte derweil ihr siebtes Endspiel auf dem neuen Center Court an der Church Road. Die Amerikanerin bezwang Jelena Dementjewa mit 6:1, 7:6 (7:3) und gab erneut keinen Satz ab. Im Finale am Samstag trifft die 28 Jahre alte viermalige Siegerin entweder auf die Chinesin Jie Zheng oder ihre jüngere Schwester Serena. Es wäre der dritte «Sister-Act» nach 2002 und 2003 - beide Finals gewann Serena.
«Der Rainer macht's. Er ist gut drauf und hat für mich auch das bessere Spiel als Clement», sagte Davis-Cup-Teamchef Patrik Kühnen. Danach sah es nach Wiederbeginn zunächst allerdings nicht aus. Zwar ließ sich Schüttler auch von einem frühen Break nicht aus dem Konzept bringen und rettete sich nach dem Rebreak zum 3:4 in den Tiebreak. Doch der entwickelte sich zu einem der verrücktesten überhaupt - und Schüttler war der Grund dafür. 6:0 lag er schon in Führung, vergab dann aber seine sechs Satzbälle mehr oder minder kläglich.
Auf der Tribüne rutschten Trainer Dirk Hordorff und sein Vertreter Jan Slocis aufgeregt auf ihren Sitzen hin und her. Erst ein Doppelfehler Clements, der mit kariertem Stirnband und Sonnenbrille mehr wie ein Popstar denn ein kommender Wimbledon-Halbfinalist aussah, ließ sie aufatmen. Entspannung kehrte auf dem mit rund 10.000 Zuschauern besetzten kleinen Center Court aber auch im vierten Durchgang nicht ein. Diesmal konnte Schüttler sein Break nicht halten und schaffte die Wende auch im Tiebreak nicht. Der fünfte und entscheidenden Durchgang wurde zu gleich von zwei Regenpausen unterbrochen. Zwischendurch musste Schüttler beim Stand von 4:5 den ersten Matchball abwehren und ging dann wieder mit einem Break in Führung. Doch auch das ging den Bach runter, bevor beim Stand von 6:6, 40:40 und Aufschlag Clement die Planen ein zweites Mal über den Rasen gezogen wurden. Was dann kam, war pure Tennis-Dramatik an dessen Ende Schüttler der Glückspilz war. (Von Andreas Bellinger, dpa)
- Themen:
- Rafael Nadal
- Roger Federer
- Wimbledon