Schön stark

Der Aufstieg der Andrea Petkovic geht weiter: Nun modelt sie auch für eine WTA-Kampagne – und zählt in Paris zu den Mitfavoritinnen.
Wild entschlossen blickt sie in die Kamera: Eine Tennis-Kriegerin, die keine Furcht und Gnade mit denen kennt, die ihr auf dem Centre Court in die Quere kommen. „Stark ist schön“ („Strong is beautiful“) lautet das Motiv einer millionenschweren Kampagne der Spielerinnengewerkschaft WTA, in der nun auch Deutschlands neuer Tennisdarling Andrea Petkovic eine funkelnde Hauptrolle spielt. „Ich mag es eigentlich nicht, wenn ich auf Fotos so verfremdet werde. Wenn ich so aufgebrezelt bin“, sagt Petkovic, „aber dieses Shooting hat einfach einen Riesenspaß gemacht. Und ich finde, dass es echt gelungen ist.“
Während der Frühjahrsturniere hatte die WTA 38 Spitzenspielerinnen, aber auch Girls aus der „Generation Next" zum Fototermin in Kalifornien gebeten. Der amerikanische Filmemacher und Fotograf Dewey Nicks setzte die Tennis-Ladies in Szene, allerdings nicht immer in so martialischer Pose wie Gladiatorin Petkovic. „Die Fotoserie zeigt die unheimliche Athletik, die Willenskraft und die Anmut unserer Stars“, sagt WTA-Chefin Stacey Allaster, „Andrea ist eine tolle Persönlichkeit, das zeigt sie auch in dieser Kampagne."
Ihre Fighterqualitäten muss Petko jetzt erst einmal in Paris beweisen, wo sie beim Grand Slam-Spektakel der French Open als Nummer 12 der Weltrangliste sogar zum erweiterten Favoritinnenkreis gehört. Die „New York Times“ ernannte die 23-jährige Darmstädterin bereits zu den Spielerinnen, „auf die man in Paris ein Auge werfen muss“: Noch kein absoluter Superstar eben, keine Top-Ten-Spielerin, keine aus der Abteilung der ganz selbstverständlichen Titelkandidatinnen. Aber eben eine höchst ambitionierte Außenseiterin, so das Blatt, „die mit ihrer Leidenschaft für das Spiel, mit ihrer knallharten Vorhand und ihrer schillernden Persönlichkeit begeistert“.
Mit dem Turniersieg in Straßburg lieferte sich Petko in jedem Fall eine Steilvorlage für das zweite Major-Turnier der Saison. Souverän und selbstbewußt wie eine Spielerin, die sich fest verankert hat in der Weltspitze, wirkt die Südhessin vor dem Auftaktmatch im Stadion Roland Garros – bestens erholt auch von den Aufregungen und Anstrengungen rund um den Fed Cup-Sensationssieg gegen die USA und den Turnierauftritt in Stuttgart. „Ich traue mir zu, auch in Paris etwas bewegen zu können", sagt Petkovic, „ich will da angreifen. Denn ich bin zur richtigen Zeit in Form und sehr glücklich mit meinem Spiel.“
Von der Flatterhaftigkeit vergangener Jahre und Spielserien ist 2011 bei Petkovic nichts mehr zu spüren. Spätestens mit dem Viertelfinaleinzug bei den Australian Open hatte sich die Newcomerin von ihren ewigen Selbstzweifeln und Zweifeln befreit, ob sie wirklich einmal eine tragende Rolle im Tennisbetrieb spielen könnte, der fabelhafte Siegeszug beim Topturnier in Miami gab dann noch einmal einen Schub fürs Ego. „Ich habe es erstmals geschafft, über Wochen und Monate auf einem sehr, sehr hohen Niveau zu spielen. Und das ist das Entscheidende heute im Spitzentennis“, sagt Petkovic.
Unübersehbar ist: Petkovic verliert, wenn es hart auf hart kommt, nur noch gegen ganz wenige Spielerinnen, die hinter ihr in der Rangliste stehen. „Sie hat einen ganz großen Reifeprozess in sehr kurzer Zeit durchgemacht“, sagt der amerikanische Toptrainer Nick Bollettieri, „und sich damit auch den Respekt der anderen Spielerinnen erarbeitet.“
Allerdings hat der neue Ruhm auch Schattenseiten: Schon in Paris kann sich Petkovic darauf einstellen, von ehrgeizigen Rivalinnen aus dem Tour-Unterbau attackiert zu werden. Die 19-jährige Serbin Bojana Jovanovski, heute in der ersten Runde ihre Gegnerin, gehört in dieses Schema – eine hungrige Teenagerin, die nichts zu verlieren hat gegen die neue Numer 12 der Welt. „Hellwach“ müsse sie da sein, sagt Petkovic, „der Start in einen Grand Slam hat immer die größten Tücken." Gelänge ihr der ersehnte Sprung in die zweite Turnierwoche, würden im Achtelfinale Kim Clijsters und, kühner Vorausblick, im Viertelfinale Maria Scharapowa warten. „Damit beschäftige ich mich noch gar nicht“, sagt Petkovic, „das ist wie der Blick in eine Zauberkugel.“