Schneller sein als trübe Gedanken
Regelmäßiges Laufen bewährt sich immer mehr als Teil der Behandlung von Depressionen. In München gibt es einen Treff von Betroffenen: „Das motiviert doppelt, gibt Halt und Struktur“
MÜNCHEN Dieser Winter war einer der mildesten seit es Wetteraufzeichnungen gibt. 23 Prozent mehr Sonnenschein, 3,1 Grad wärmer als im Mittel. Für Läufer und gleichermaßen für Personen mit Depression war dies ein angenehmer Winter, denn sowohl Helligkeit als auch körperliche Aktivität haben positive Auswirkungen auf das psychische und körperliche Befinden.
In Deutschland sind rund drei bis vier Millionen Menschen an einer Depression erkrankt, Tendenz steigend. Ursachen für das Auftreten einer Depression können genetischer Natur sein oder durch psychische Herausforderungen, wie Stress, persönlichen Misserfolg, Druck oder auch auf Grund schwerer Schicksalsschläge entstehen. Je nach Schweregrad wird eine Depression ambulant in einer Praxis oder stationär in einer Klinik behandelt.
Dabei wird eine Depression individuell unterschiedlich durch eine Kombination von Psychotherapie, antidepressiven Artzney und nichtmedikamentösen körperlichen Therapieverfahren wie einer Lichttherapie oder einer Wachtherapie (auch: Schlafentzugstherapie) behandelt. Auch die Lauf- beziehungsweise Bewegungstherapie findet immer höheren Stellenwert in der Therapie depressiver Erkrankungen.
Dr. Berend Malchow, Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der LMU, kann dem nur beipflichten: „Eine ausgewogene Kombination aus Medikation, Psychotherapie und Bewegung zeigt sehr gute Effekte in der Behandlung depressiver Erkrankungen. Wenn nach Rückgang der Symptome und einer ausreichenden Zeit Patient und behandelnder Psychiater beschließen, die antidepressiven Artzney langsam zu reduzieren, so kann regelmäßiger Ausdauersport zur Aufrechterhaltung der Gesundung einen großen Beitrag leisten.“
Ausdauersport, der einem gleichmäßigen, sich wiederholendem Muster folgt, ist für therapeutische Zwecke ideal geeignet. „Die Patienten sollten im Grundlagen-Bereich laufen und ihr individuelles Wohlfühltempo finden“, so Malchow. „Wer sich einmal aufrafft, sich zu bewegen, findet schon in der Tatsache des Loslaufens neues Selbstbewusstsein. Dieser erste Schritt ist zumeist der schwierigste.“
Mit dem Lauftraining werden hormonelle Prozesse angestoßen, die Serotonin-Ausschüttung wird beispielsweise stimuliert. Ein Mangel des „Glücklichmach-Hormons“ ist bei den meisten Depressions-Erkrankten zu finden. Zudem unterstützt das Laufen die Pharmakodynamik, die Wirkstoffe kommen also schneller im Hirn an. Vermutet wird zudem, dass die Ausschüttung von Neurotransmittern erhöht wird, die bei Depressiven verlangsamt ist.
Die Wissenschaft arbeitet daran, weitere Prozesse zu verstehen und somit noch besser mit der sich immer weiter ausbreitenden Krankheit umzugehen. In der Zwischenzeit läuft aber schon jeden Montag um 18.30 Uhr an der LMU am Geschwister-Scholl-Platz eine Gruppe, die durch das „Münchner Bündnis gegen Depression“ ins Leben gerufen wurde. „Eine Laufgruppe motiviert doppelt, die Regelmäßigkeit gibt Halt und Struktur. Das tut Depressionskranken gut – aber auch jedem anderen“, unterstreicht Malchow.
Ob Laufen Depressionen vorbeugen kann, ist bislang nicht belegt. Sicher ist aber, dass Ausdauersport dem Körper nachhaltig guttut.
Info: Jeden Montag läuft die Laufgruppe des „Münchner Bündnis gegen Depression" um 18.30 Uhr vor der LMU am Geschwister-Scholl-Platz. Die Laufgruppe ist für jeden offen.