Schmitt: Alter Adler mit Rückenwind
Oberstdorf - Ein guter Sprung – und Martin Schmitt lächelte wieder. Völlig gelöst winkte er gestern nach seinem starken Qualifikationssprung (125,5 Meter) in die Menge der doch eher verwunderten Fans. Tatsächlich hat sich der 33-Jährige, den niemand mehr auf der Rechnung hatte, zurückgemeldet – pünktlich zu seiner 16. Vierschanzentournee. Eine Sensation? Nein, aber eine Überraschung allemal.
Rückblick: Kurz vor Weihnachten spricht sich Schmitt mit Bundestrainer Werner Schuster (42) ab. Danach sagt er seine Teilnahme beim Weltcup in Engelberg ab. Stattdessen fliegt er nach Lillehammer in Norwegen. Geheimes Trainingslager für den Weltmeister von 1999 und 2001, nachdem ihm im Sommer eine Reizung des linken Knies immer wieder außer Gefecht setzte. „Es war mir wichtig, in Norwegen in Ruhe an meiner Form und an meinen Sprüngen zu feilen", sagt Schmitt nach seinem gestrigen Quali-Sprung. „Ich konnte das Material auf meine Haltung abstimmen, an der Flugposition arbeiten." Martin Schmitt – mit der Kraft aus Norwegen beendete er die Qualifikation auf Platz 13. Er – und nicht einer der beiden jungen Hoffnungsträger Richard Freitag und Severin Freund – war der beste Deutsche. „Ich bin auf einem guten Weg. Aber es ist nicht jeder Sprung wie der andere. Ein beständig gutes Gefühl muss ich mir weiter erarbeiten", sagte er.
Vor der Tournee verblüffte der alternde Adler somit Trainer und Fans. Denn zuvor hinkte er dem eigenen Anspruch hinterher, holte bislang nur acht Weltcup-Punkte. Zum Vergleich: Der junge Hoffnungsträger Richard Freitag hat inzwischen 340 Punkte mehr als der Routinier Schmitt.
Doch der einstige Publikumsliebling ist ein Kämpfer und nimmt mittlerweile zum 16. Mal an der Vierschanzentournee teil. Nur gewonnen hat er sie noch nie. Zwar sind seine Erfolgsaussichten diesmal gering, doch sein Wille beeindruckt. „Er ist eine starke Quali gesprungen. Das motiviert uns alle. Der Martin hat es sich verdient, dass er ordentliche Sprünge nach unten bringt", meint Severin Freund.
Bei dem 23-Jährigen aus Freyung lief es dagegen durchwachsen. Er kam nur auf Rang 27. „Ich hatte einen verkrampften Sprung. Im Training lief es dagegen besser." Auch Richard Freitag (20) zeigte keinen optimalen Sprung, bleibt aber in Lauerstellung – und staunt über die starken Österreicher: „Die haben weite Sätze rausgehauen. Das wird ein spannender Wettkampf."
Die deutschen Adler hoffen vor heimischem Publikum auf einen Erfolg. Doch was kann Deutschland von Schmitt erwarten? Eine herausragende Tournee-Platzierung ist schwierig. Seinen Sprüngen fehlt noch Konstanz. Und er ist nicht mehr der Jüngste: Schon im Januar 2012 wird Schmitt 34 Jahre alt. Der Alt-Adler hat aber noch eine viel wichtigere Rolle, wie Bundestrainer Werner Schuster (42) verrät: „Er kann so viel Erfahrung an die jüngeren Springer weitergeben, dass alle von Martins Teilnahme profitieren." Er sei ein angenehmer Teamkollege, der immer ansprechbar sei, so Schuster. In der Tat fällt auf: Freitag und Freund, Deutschlands neue Tournee-Hoffnungen, holen sich regelmäßig Tipps bei dem Altmeister ab. Schmitts Erfolge (28 Weltcup-Siege) stehen außer Zweifel. Der Routinier ist beliebt - im Team und immer noch bei den Fans.
Heute wird Martin Schmitt im K.o.-Duell auf den jungen deutschen Teamkollegen Markus Eisenbichler treffen. Eine absolut lösbare Aufgabe, die Schmitt meistern muss. Denn letztlich – und das stellt Bundestrainer Werner Schuster knallhart fest – zählt auch beim Oldie nur die Leistung. „Insgesamt wird die Tournee eine heikle Aufgabe für ihn. Nach dem Springen in Garmisch-Partenkirchen wissen wir mehr." Heißt im Klartext: Kann Publikumsliebling Schmitt die ansteigende Form nicht bestätigen, verfolgt er den Rest der Tournee womöglich vom Wohnzimmer aus. In Österreich darf der Bundestrainer nur noch sechs Athleten an den Start schicken.