Schlickenrieder: "Die prädestinierte Seriensiegerin"

Ex-Langläufer Peter Schlickenrieder spricht über seine Klettertour mit Biathlon-Star Laura Dahlmeier – und erklärt, wie er die Weltmeisterin erlebt hat und was sie auszeichnet: "Sie ist für ihr Alter sehr weit".
Der heute 46-Jährige Ex-Langläufer Peter Schlickenrieder holte bei Olympia 2002 Silber im Langlauf-Sprint. Die AZ hat mit ihm über Laura Dahlmeier gesprochen.
AZ: Herr Schlickenrieder, kürzlich lief im Bayerischen Fernsehen Ihre Reportage "Luft nach Oben", die Dokumentation einer außergewöhnlichen Klettertour – mit Biathlon-Star Laura Dahlmeier. Wo genau ging’s hin?
PETER SCHLICKENRIEDER: Wir waren sozusagen auf den Spuren von Hermann Buhl, dem Erstbesteiger des Nanga Parbat, sind in Garmisch mit dem Radl losgefahren, Richtung Piz Badile, einem Dreitausender in Graubünden, zwischen St. Moritz und Comersee. Dort sind wir zur Hütte aufgestiegen und die gut 25 Seillängen lange Klettertour über die Nordkante hoch zum Gipfel auf 3300 Meter – und mit dem Radl wieder heim. Ich muss vor der Laura echt den Hut ziehen, denn sie hatte zu der Zeit Mitte August gerade eine echt anstrengende Trainingsphase hinter und eigentlich eine Regenerationswoche vor sich.
Wie kam’s zu der Idee?
Einer meiner Freunde ist in ihrer Trainingsgruppe, und der nahm mich zu einer Großglockner-Tour mit, bei der auch die Laura dabei war. Da haben wir so philosophiert, was uns inspiriert und fasziniert – und sind auf Hermann Buhl gekommen, einen der Pioniere des Alpinismus. Dessen Witwe hat sein Buch neu aufgelegt. Uns beide fasziniert, was der damals auf sich genommen hat, um sein großes Ziel, den Nanga Parbat zu besteigen, zu erreichen: ohne Geld, ohne Sponsoring, mit wenig Vorbereitungstouren. So sind wir auf die Idee gekommen.
Aus Ihrer aktiven Zeit kennen Sie natürlich zig Profis. Was macht den Biathlon-Profi Laura Dahlmeier aus?
Sie ist für ihr junges Alter schon sehr weit, der Protagonist des mündigen Athleten, macht sich sehr viele Gedanken über die Dinge, die sie tut, hinterfragt sehr viel und hängt sehr viel Energie rein, das zu perfektionieren, ob Bergsport oder Biathlon. Sie ist immer auf der Suche nach der besten Leistung, versucht das Beste aus dem zu machen, was die Situation hergibt. Dass sie das im Alter von 23 Jahren schon so vorantreibt, ist schon erstaunlich.
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Woher kommt dieser Antrieb?
Sie hat ein sehr sportliches Elternhaus. Die Mutter war eine sehr gute Mountainbike-Downhillerin, der Vater ist in der Bergwacht und sportlich sehr ambitioniert. Aber so ein ähnliches Elternhaus haben viele und entwickeln daraus nicht so einen eigenen Drive, einen eigenen Willen. Das ist schon eine sehr spezielle Gabe, die sie da vorantreibt und die sie dazu nutzt, erfolgreich zu sein – immer mit dem Lächeln auf den Lippen. Das finde ich gut, da es so schwierig ist, die Balance zu halten zwischen Fokus, Konzentration, Sich-weiter-Entwickeln, aber den Bogen nicht zu überspannen. So ist es für sie keine Tragik, wenn es mal nicht funktioniert.
Gerade im Biathlon, wo man nicht nur die Beine, sondern auch den Kopf braucht...
Genau, das fordert einen sehr kompletten Sportler, aber auch den, der nicht verkrampft, der das Wechselspiel zwischen Konzentration und Lockerheit im entscheidenden Moment beherrscht. Das macht sie aus.
Nun verfügt Laura Dahlmeier über diese Eigenschaft, der manche Konkurrentinnen ihre ganze Karriere lang hinterherlaufen, schon jetzt, mit 23. Was bedeutet das für die nächsten Jahre?
Insofern wäre sie eine prädestinierte Seriensiegerin. Aber da lässt sie sich nur sehr bedingt reinschauen: was ihre großen Ziele sind, was sie noch vorhat. Schwer zu prophezeien, wo es sie hintreibt. Sie ist ein sehr offener Mensch, schaut weit über den Tellerrand hinaus, und so ein Leben, wie wir es führen, bietet schon sehr viele Möglichkeiten, sich auszuprobieren, an Grenzen ranzutasten und andere Dinge auszuprobieren.