Schiris in Todesangst: "Wir haben mörderischen Respekt"

Die unter Manipulationsverdacht stehenden Handball-Referees Lemme und Ullrich schweigen – weil sie fürchten, dass sie eine „mörderische“ Rache trifft.
MAGDEBURG Sie haben viel geredet, in den letzten Tagen. Frank Lemme und Bernd Ullrich, die beiden 46-jährigen Magdeburger Handball-Schiedsrichter, die seit Samstag im dringenden Verdacht stehen, bestechlich zu sein. Und sie haben immer wieder betont, sie seien Opfer eines Komplotts, nie hätten sie ein Spiel geschoben. Doch zu einem entscheidenden und möglicherweise entlastenden Punkt schweigen beide weiterhin: Sie wollen den Namen jenes Mannes nicht nennen, von dem sie behaupten, er könnte der Drahtzieher hinter diesem angeblichen Komplott sein. Denn Lemme und Ullrich haben Angst, Angst um ihr Leben.
Rückblende: Bei den angesehenen Referees Lemme und Ullrich werden nach dem Europacup-Finale 2006 in Russland 50 000 Dollar in einer Plastiktüte verpackt im Gepäck gefunden. Beide bestätigen einen Bestechungsversuch vor dem Spiel Medwedi Tschechow gegen BM Valladolid. Ein Russe habe Geld angeboten. Sie hätten es jedoch nicht angenommen und ein Spiel manipuliert, das hätten sie nie gemacht.
Über die Identität des Mannes mit dem unmoralischen Angebot schweigen sie. „Wenn andere den Namen nennen, ist das okay, aber wir haben auch ganz schön Respekt vor möglichen Folgen“, sagte Ullrich. Und Lemme ergänzte vielsagend: „Ja, mörderischen Respekt sogar, wenn Sie wissen, was ich damit meine. Man weiß ja nie, was jetzt noch alles so passiert.“
Müssen Lemme und Ullrich um Leib und Leben fürchten? Sylvia Schenk, die deutsche Vorsitzende der Antikorruptionsorganisation Transparency International hat ihre Zweifel: „Das macht keinen Sinn. Wenn es keinen Bestechungsversuch gab, hätte der russische Klub nach einem Sieg doch kein Interesse, die Schiedsrichter in Misskredit zu bringen“. Außerdem sei es “beunruhigend, dass etliche offenbar Bescheid wussten und nichts sagten – das Problem muss im Handball also verbreitet sein“, sagte Schenk der „Welt“.
Beim ebenfalls unter Manipulationsverdacht stehenden Handball-Meister THW Kiel ermittelt zumindest die Staatsanwaltschaft „mit Hochdruck“ gegen Geschäftsführer Uwe Schwenker und Ex-Trainer Zvonimir Serdarusic. Allerdings gehen die Ermittler der Frage nach, ob Gesellschaftsvermögen der THW Kiel Handball-Bundesliga GmbH & Co. KG geschädigt wurde – und nicht, ob Referees bestochen wurden.
Lemme und Ullrich wollen ihre Handball-Arbeit ruhen lassen, „bis die ganze Sache geklärt ist.“ Handelsvertreter Lemme hat seinen Arbeitgeber über die Vorgänge informiert: „Ich hoffe, dass sich das nicht niederschlägt. Das wäre das Schlimmste, was passieren kann. Das ist nur unser Hobby, der Handball.“
Reinhard Keck