„Schier überlegen – und ein Mythos“

Hans Herrmann über die Triumphe in den 50er Jahren: „Wir mussten mehr arbeiten als die heutigen Formel-1-Fahrer“
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
"Der Junge wird uns schon keine Schande machen": Silberpfeil-Legende Hans Hermann über Weltmeister Lewis Hamilton, der am Donnerstag im Ur-Modell W25 über den Nürburgring fuhr.
dpa "Der Junge wird uns schon keine Schande machen": Silberpfeil-Legende Hans Hermann über Weltmeister Lewis Hamilton, der am Donnerstag im Ur-Modell W25 über den Nürburgring fuhr.

Hans Herrmann über die Triumphe in den 50er Jahren: „Wir mussten mehr arbeiten als die heutigen Formel-1-Fahrer“

Von Filippo Cataldo

AZ: Herr Herrmann, Sie sind mittlerweile 81 Jahre – und trotzdem erwischen wir Sie am späten Nachmittag noch in Ihrer Firma für Autoteile im Büro.

HANS HERRMANN: Und, werfen Sie mir das vor? Es gibt eben viel zu tun. Was also kann ich für Sie tun?

Mercedes feiert diese Woche am Nürburgring den 75. Geburtstag der Silberpfeile und Lewis Hamilton hat bei ein paar Demo-Runden mit dem Ur-Modell W 25 auf der Nordschleife gedreht...

Der Junge wird uns schon keine Schande gemacht haben, oder? Es war ja nicht das erste Mal. Bei seinem ersten Mal war ich sogar dabei.

Wie hat er sich angestellt?

Wir sind mal vor zwei Jahren in Berlin Unter den Linden bis zum Brandenburger Tor und wieder zurück gefahren. Mit meinem alten W 194, dem Nachkriegsmodell von 1954. Ich dachte, dass ich diesem Jungspund aus einer Formel 1, in der die Elektronik alles regelt, erst mal erklären muss, wie er Zwischengas geben muss beim Runterschalten. Er hat sich meine Ratschläge auch brav angehört, aber als er dann gefahren ist, hat er sich prima zurechtgefunden.

So wie Sie damals?

Anders. Es stimmt, dass ich damals, als ich Mercedes-Werkfahrer wurde, der Jungspund im Team war. Ich war 25, meine Teamkollegen Juan-Manuel Fangio und Karl Kling waren für mich Legenden. Vor allem Fangio hat mir viel erklärt, ich war ganz klar der Nachwuchsfahrer.

Inwiefern?

Nun, wir waren 1955 beispielsweise vier Fahrer und hatten auch immer vier Autos dabei. Aber meistens immer nur drei gute. Auf Höchstgeschwindigkeitskursen wie der Nordschleife haben Fangio, Kling und Moss den vollverkleideten Stromlinien-Silberpfeil bekommen, der viel schneller war. Ich musste dagegen mit dem offenen Monoposto fahren. Oder in Monaco 1955 haben sie mir mal den Boliden mit dem längeren Radstand gegeben, da mussten wir vorher sogar ausprobieren, ob wir damit durch die Kurve am Hafen kommen.

Das war das Rennen, in dem Sie schwer verunglückten.

Ja, aber ich hatte, wie immer in meinem Leben, Glück. Dass ich Hans im Glück genannt wurde, wissen Sie ja bestimmt. Aber wegen des Unfalls konnte ich den Silberpfeil auch nie mehr im Rennen fahren. Mercedes hat sich am Ende der Saison zurückgezogen wegen des schweren Unglücks in Le Mans, bei dem 80 Zuschauer starben.

Was hat das für Sie bedeutet?

Die Formel 1war danach nicht mehr die selbe. Ich bin dann noch für Maserati und Lotus gefahren, aber ein großer Teil des Reizes war weg. Wissen Sie, wir sind 1954 in die Formel 1 gekommen und haben sofort alles gewonnen. Die Silberpfeile waren schier überlegen – und ein Mythos. Als wir 1954 in die Formel 1 gekommen sind, hatte das auch eine politische Dimension. Endlich waren wir Deutschen wieder in die Staatengemeinschaft aufgenommen und durften zeigen, was in uns steckt.

Vor dem Krieg haben die Silberpfeile auch dominiert.

Ja, sogar noch viel mehr als wir dann. Zumal die Vorkriegsfahrer es auch schwerer hatten. Der W25, das Auto, das auch Hamilton jetzt am Nürburgring gefahren ist, war ein Biest. Wenn du da ein bisschen zu viel oder zu wenig Gas gegeben hast, ist es dir schon abgesoffen. Mein W 194 dagegen war ziemlich einfach zu fahren. Aber mehr arbeiten als die Fahrer heute mussten wir auf jeden Fall.

Klingt nicht so, als ob Sie die heutige Formel-1-Fahrer sonderlich mögen würden.

Nein, nein, das stimmt nicht. Lewis hat mir auch schon mal angeboten, dass ich mich in sein Auto setze. Aber das würde nicht funktionieren. Bis er mir jeden Knopf am Lenkrad erklärt hat, würde es schon dunkel werden.

Beobachter sind immer wieder überrascht, wie schnell Sie Ihren alten Silberpfeil noch bewegen.

Ja, was glauben Sie denn? Gelernt ist gelernt. Die Arbeit am Lenkrad, die Geräusche beim Schalten, der Fahrtwind - die bereiten mir beste Gefühle.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.