Schicksalsort Monza: Als der erste Popstar der Formel 1 im Auto starb
Monza, das ist einer dieser Orte, den eine fast mystische Aura umgibt. Am Wochenende gastiert die Formel 1 wieder dort. Es ist ein Ort, an dem Legenden geboren wurden. Aber auch ein Ort, an dem Legenden den Tod fanden. Und diese Todesfälle wieder den Mythos nährten.
So wie Graf Berghe von Trips. Der Deutsche hatte in Monza am 10. September 1961 bei der Anfahrt zur Parabolica-Kurve einen Horror-Unfall. Er starb - und mit ihm 15 Zuschauer, die von umherfliegenden Wrackteilen erschlagen wurden.
So wie Jochen Rindt. Am 5. September 1970, am Samstag ist es genau 50 Jahre her, verunglückte Rindt an der fast identischen Stelle wie Berghe von Trips. An seinem Lotus 72 war die Bremswelle gebrochen. Rindts Wagen kam bei Tempo 290 von der Strecke ab, knallte ungebremst in die Absperrung. Beim Aufprall wurde ihm die Halsschlagader durchtrennt.
Vielleicht hätte ihn der Sicherheitsgurt retten können. Wenn Rindt den Beckengurt fixiert gehabt hätte. Aber das tat er nie. Er, der so furchtlos über die Pisten raste, der die Naturgesetze außer Kraft zu setzen schien, hatte panische Angst davor, nach einem Unfall in einem brennenden Auto gefangen zu sein. Also zog er den Beckengurt nicht fest, er wollte schnell aussteigen können.

Der Tod einer Legende
An diesem 5. September konnte er aber nicht mehr aussteigen. Durch die Wucht des Aufpralls wurde sein Körper nach unten geschleudert, das Gurtschloss des Sicherheitsgurts, der ihn retten sollte, schlitzte ihm den Hals auf. Das vordere Drittel des Wagens war weggerissen. Um 15.25 Uhr an diesem 5. September verblutete Rindt.

Der Tod einer Legende. Seine Frau Nina saß in dem Moment, als ihr Ehemann bereits verunglückt war, noch in der Boxengasse. Eine Stoppuhr in der Hand, auf den Knien ein Block. Sie nahm bei jeder Runde die Zeit, notierte diese akribisch.
Eine Art Beschäftigungstherapie. Denn Nina hatte Angst um ihren Jochen. Plötzlich wurde es still in der Boxengasse. Was war passiert? Ein Unfall. Aber wer? Dann die Bestätigung: "Ja, es ist Rindt!"
Tödlicher Unfall kurz vor dem Ausstieg
Würden ihre schlimmsten Befürchtungen wahr? Oder würde Rindt sich wie ein Phoenix aus dem Wrack erheben, sich lässig eine Zigarette in den Mundwinkel hängen und sein unergründliches Lächeln aufsetzen?
Bei einem Interview ein paar Tage vor dem Todesrennen wurde Nina, die mit Jochen die zweijährige Tochter Natascha hatte, gefragt, was ihr sehnlichster Wunsch sei. Sie schaute ihren Mann an und sagte: "Dass du mit dem Rennfahren aufhört."
Genau das hatte Rindt sich kurz vorher überlegt. Aufhören. Aussteigen. Überleben. Leben. Einfach nur leben. Dem Tod, der damals ein täglicher Begleiter im Rennsport war, von der Schippe springen.

Denn sein Lotus war zwar schnell - aber nicht sicher. Die innovativen, innen liegenden Bremsen waren die Achillesferse des Wagens. "Meine größte Sorge ist, dass am Auto etwas bricht. Ich fühle, dass ich gut genug bin, keinen Fehler zu machen, bin aber nicht sicher, ob ich das Auto kontrollieren kann, wenn etwas schiefgeht", sagte Rindt.
Er konnte es nicht. "Jochen hatte Todesahnungen, oder sagen wir besser: Er realisierte, dass er bei Lotus ein tödliches Risiko eingeht", sagte Rindts enger Freund Helmut Marko: "Er sagte ganz klar, dass er aufhören will. Er traute Teamchef Colin Chapman nicht mehr."
Jochen Rindt - der erste Formel-1-Popstar
Mit Rindt verlor die Formel 1 ihren ersten echten Popstar. Er brachte Glamour, Lässigkeit, Coolness, aber auch Charme und Sensibilität mit. Rindt, Sohn eines deutschen Vaters und einer österreichischen Mutter, der aber ausschließlich für Österreich fuhr, hatte eine besondere Aura. Etwas Ungreifbares, etwas Animalisches, etwas Ungezähmtes, etwas Rebellisches. Er war der James Dean des Motorsports. Der US-Schauspieler war 1955 übrigens mit seinem Porsche tödlich verunglückt. Er wurde 24 Jahre alt. Rindt wurde 28.
Doch um Rindts Versterben wurde erst einmal ein Geheimnis gemacht. Keine Mitteilung, kein gar nichts. Die Rennleitung verschwieg die Wahrheit, doch Rindts Freund und Fahrerkollege Jackie Stewart hatte gesehen, dass der Körper von Rindt auf der Liegefläche eines Kleintransporters weggebracht wurde. "Er war tot. Das wusste ich sofort, sein Fuß war beinahe abgerissen, aber es kam kein Blut. Eine offene Wunde, die nicht blutet, bedeutet, dass sein Herz nicht schlägt", sagte Stewart bei "MotorSport".

Kurze Zeit später kam Bernie Ecclestone, ein weiterer Freund von Rindt, in die Boxengasse. Er hatte einen blutigen Helm in der Hand. Jochens Helm, er steckte ihn in eine Tasche. Jochens Tasche. Jochen war tot.
Trotzdem wurde er kurz danach Weltmeister. Er hatte so einen großen Punktevorsprung, dass ihm keiner den Titel mehr nehmen konnte. Rindt ist der einzige Fahrer, der posthum je Weltmeister wurde. Den Pokal nahm Nina Rindt entgegen.
Nina Rindt: "Alle Fahrer-Frauen hatten ein schwarzes Kleid im Koffer"
Doch vorher musste sie den Weg gehen, den sie immer gefürchtet hatte. "Alle Frauen der Fahrer hatten damals ein schwarzes Kleid im Koffer. In der Hoffnung, es nie zu brauchen", sagte sie einmal.
Am 11. September wurde Rindt in Graz zu Grabe getragen. Als ein Trompeter das Lied "This Is the End" von den Doors mit der beschwörenden Stimme von Jim Morrison spielte, brach sie zusammen.
Morrison, eine weitere Legende, die viel zu früh sterben sollte. Knapp ein Jahr nach Rindt - mit 27 Jahren.
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