Scharapowas schmerzvolles Ende

PARIS - Das Golden Girl des Tennis, Maria Scharapowa, wurde im Viertelfinale der French Open von der 20-jährigen Dominika Cibulkowa gedemütigt. Und schwört Rache in Wimbledon.
Es war ein friedlicher Frühlingsabend im Stadion Suzanne Lenglen von Paris, mit milden Sommertemperaturen und einer leichten, angenehmen Brise, die vom nahen Bois de Bologne herüberwehte. Doch wer am Mittwoch nach genau einer Stunde des Viertelfinalspiels zwischen Dominika Cibulkowa und Maria Scharapowa auf eine der beiden mächtigen Multimedia-Tafeln schaute, der sah konsterniert mitten hinein in die nächsten heftigen Turbulenzen bei diesen verrückten French Open, der erblickte ein sportliches Unwetter: 0:6, 0:5 und 30:40 lag Scharapowa zurück in diesem finsteren Moment, in dem selbst die notorischsten Scharapowa-Hasser in Paris mit lautstarken Sprechchören auf die Seite der Russin schwenkten.
Es war eine Demütigung sondergleichen, eine Peinlichkeit, und auch wenn das Golden Girl des Tennis noch gerade so eben die Höchststrafe einer Zu Null-Niederlage vermied, war mit dem 6:0, 6:2-Sieg der 20-jährigen Slowakin gegen die einstige Weltranglisten-Erste dann doch die nächste Sensation, jedenfalls im reinen Ergebnis, in den roten Sand von Roland Garros niedergeschrieben. „Zahlen interessieren mich überhaupt nicht“, befand die abgefertigte Russin später karg, „ob du 7:6 im Tiebreak im dritten Satz verlierst oder so wie heute, ist doch das Gleiche. Verloren ist verloren.“
Scharapowa: Der Tank war einfach leer
Aber eins zumindest war klar nach dem herben Ausrutscher: Der Weg in die engere Weltspitze war noch lang und steinig für die Blondine, die sich selbst in besseren Zeiten schon mal in Paris „wie eine Kuh auf dem Eis“ gewähnt hatte – unfähig, den ganz speziellen Anforderungen dieses härtesten Grand Slam-Turniers der Welt zu trotzen. „Du kannst Deinen Körper nicht zu etwas zwingen, das unmöglich ist“, sagte Scharapowa hinterher, als sich der erste Schock über den doch ziemlich bitter ausgefallenen Abschied gelegt hatte. Viermal hatte die 22-jährige bis zu dem denkwürdigen Viertelfinale mit Leidenschaft und Courage ein Aus abgewendet, war jedes Mal über die volle Distanz von drei Sätzen gegangen, hatte Berg-und Talfahrten mit wechselnden Führungen durchstanden – doch gegen Cibulkowa war der Tank dann einfach leer, es gab keinen Tropfen Energie mehr und auch keinerlei Timing in den Schlägen.
„Maria, voll der Gnade“ – so stand es tatsächlich theatralisch auf dem Titel des French Open-Tagesprogramms, aber voll der Kraft und alten Zähigkeit wäre der Scharapowa selbst wohl viel lieber gewesen. Immerhin war es nach zehn Monaten Zwangspause der erste Auftritt als Solistin im Tourzirkus, der erste Auftritt nach der langwierigen Schulterverletzung, die zeitweise sogar ihre Karriere zu gefährden drohte.
Dem augenblicklich recht spröden Damentennis hatte die bestverdienende und meistfotografierte Sportlerin des Planeten zwar wieder etwas Glanz und Glamour zurückgegeben bei diesen Grand Slam-Festivitäten, jene sehnsuchtsvoll zurückerwartete Regentin mit den Tiffany-Ohrringen, aber die sportliche Dominanz kam, logisch, nicht so blitzartig zurück wie der Fokus der Paparazzi-Meute in Paris.
. „Es war ein guter Start, nicht mehr, nicht weniger“, sagte Scharapowa, „aber ich kann allen gleich versprechen: Ich hätte nicht wieder angefangen, wenn ich nicht eins glauben würde: Wieder die Nummer eins zu werden und Grand Slams zu gewinnen.“ Und so erinnerte Scharapowa auch daran, wie sie schon einmal sogar eine 0:6, 0:6-Niederlage gegen Lindsay Davenport weggesteckt hatte, 2005 in Indian Wells. „Danach habe ich ja noch zwei Grand Slams gewonnen“, so Scharapowa, „und in Wimbledon demnächst, da wird die Welt vielleicht schon ganz anders aussehen.“
Jörg Allmeroth