„Schändlich, erbärmlich“

Box-Weltmeister Wladimir Klitschko zweifelt am Charakter seines Herausforderers Chisora, der seine Freundin verprügelt hat – und er schimpft über dessen englischen Landsmann David Haye.
von  Abendzeitung
Der Muskelberg bei der Arbeit: Weltmeister Wladimir Klitschko bereitete sich mit Trainer Emanuel Steward im Trainingslager beim Stanglwirt auf den Chisora-Kampf vor. Foto: AP
Der Muskelberg bei der Arbeit: Weltmeister Wladimir Klitschko bereitete sich mit Trainer Emanuel Steward im Trainingslager beim Stanglwirt auf den Chisora-Kampf vor. Foto: AP © az

Box-Weltmeister Wladimir Klitschko zweifelt am Charakter seines Herausforderers Chisora, der seine Freundin verprügelt hat – und er schimpft über dessen englischen Landsmann David Haye.

Herr Klitschko, nachdem Sie am Montag Dereck Chisora hart attackiert haben, weil der seine Freundin verprügelt hat, drängt sich die Frage auf: Warum haben Sie einen solchen Mann überhaupt als Gegner für einen WM-Kampf ausgewählt?

WLADIMIR KLITSCHKO: Die Frage ist ebenso berechtigt, wie die Antwort einfach: Zum Zeitpunkt der Verhandlungen und der Vertragsunterzeichnung war dieser Vorfall noch nicht bekannt, das wurde ja erst kürzlich publik.

Was halten Sie denn von Männern, die Frauen schlagen?

Mein Menschenbild wurde von meinen Eltern geprägt, meine Mutter lebt es vor, sie ist eine starke Person, die ich bewundere und liebe. Ich liebe die Frauen überhaupt. Es gibt für mich keinen Grund – ich wiederhole: keinen –, der es rechtfertigen würde, dass ein Mann eine Frau schlägt. Wenn dieser Mann dazu noch ein Berufsboxer ist, dann finde ich das noch schlimmer. Dazu war es auch noch seine Freundin, also eine Frau, mit der er zumindest einen Teil seines Lebens verbringen wollte. Ich finde das Ganze schändlich und erbärmlich. Es gibt dafür keine Entschuldigung, ein Mann, der so was macht, ist ein geborener Verlierer, selbst, wenn er Titel gewinnen würde. Aber das wird er gegen mich nicht tun. Ich bin aber froh, dass er sich endlich einen kräftigen Gegner ausgesucht hat: mich!

Chisora hat versucht, Sie auf jeder Ebene zu provozieren, er lästerte sogar über Ihre Freundin Hayden Panettiere.

Er ist der frechste, der unverschämteste Gegner, den ich je hatte. Und der selbstbewussteste. Ich kann in seinen Augen sehen, dass er wirklich glaubt, was er sagt, dass er wirklich überzeugt ist, dass er mich schlagen kann. Er ist mental nicht gerade stabil, das zeigt der Vorfall mit seiner Freundin, aber auch, dass er bereits zwei Mal im Ring seine Gegner ins Ohr gebissen hat. Ich finde Chisora als Menschen schrecklich.

Was hat Chisora sportlich geleistet, dass er einen WM-Kampf verdient hat? Er hat nur 14 Profikämpfe, gegen die nicht namhaftesten Boxer. Was bringen Ihnen solche Kämpfe, schließlich haben schon Ihre letzten Gegner fast nie eine Runde gegen Sie gewinnen können?

Im Boxen geht es um Kunst. Das ist wie Schach, das habe ich lange nicht verstanden. Ich bin einfach nach vorne gestürmt und habe geschlagen. Aber Boxen ist so viel mehr als zuzuschlagen. Die Kämpfe von Vitali und mir mögen einfach aussehen, aber sie sind es nicht. Es sieht nur einfach aus, weil wir die Gegner nicht machen lassen, was sie wollen. Wenn wir das täten, würde der Kampf ganz anders verlaufen. Aber den Gegner zu stören, ihn seiner Stärken zu berauben und ihn dazu zu zwingen, dass seine Schwächen offenbar werden, das ist die Kunst des Boxens. Chisora ist ein gefährlicher Mann, aber ich werde alles tun, ihm seine Gefährlichkeit zu nehmen. Ich denke, dass Chisora viel besser ist als David Haye. Er würde Haye ausknocken.

Sie halten nicht viel von Ihrem Intimfeind Haye, dem WBA-Weltmeister, der Sie unter anderem mit geschmacklosen T-Shirts, auf denen er Ihr abgetrenntes Haupt hochhält, provoziert hat.

Haye ist dabei, zu einem absoluten Clown zu werden. Was hat er denn schon im Schwergewicht geleistet? Er ist gegen Nikolai Walujew wie ein Huhn im Ring herumgesprungen, weil er Angst hatte, dem Riesen zu nahe zu kommen. Und der Drei-Runden-Kampf gegen Audley Harrison war das spannendste, was ich je im Boxen gesehen habe.

Mehr Sarkasmus konnten Sie wohl gerade nicht in Ihre Stimme legen.

Nein, der Kampf war eine Farce. Haye geht es aber nicht um das Ansehen, den Ruhm, er benimmt sich so, als würde er dem ältesten Gewerbe der Welt nachgehen.

Sie haben ihm einen Vereinigungskampf ohne irgendwelche Optionen angeboten, in dem die Einnahmen 50/50 geteilt werden sollen. Haye lehnt das bisher ab, er will die gesamten Einnahmen des britischen Marktes für sich.

Wir haben ihm das Angebot gemacht, ein besseres kriegt er nicht. Eigentlich ist das schon zu gut, denn ich habe die Gürtel dreier Verbände, ich werde als der Champion angesehen. Wenn er auf das Angebot nicht eingeht, dann nicht. Ich werde nicht vor ihm zu Kreuze kriechen und beknien. Nachdem, was er bisher an Kämpfen abgeliefert hat, braucht er die Klitschkos, um seinen Ruf zu retten. Wir brauchen ihn nicht.

Wie haben Sie den Kampf Ihres Bruders Vitali gegen Shannon Briggs erlebt? Der hatte seinen Trainern verboten, den Fight abzubrechen, und landete dafür schwerverletzt im Krankenhaus.

Ich verstehe, dass Briggs nicht aufgegeben hat. Auch meine Ecke weiß, dass ich der einzige bin, der einen Kampf beendet. Das ist das Kämpfer-Gen in einem, es verbietet Dir, aufzugeben. Ich habe das, was Briggs durchgemacht hat, selber erlebt, daher kann ich das sehr genau nachvollziehen. Ich hätte genauso reagiert.

Sie sprechen Ihre Niederlage im Jahre 2003 gegen Lamon Brewster an, als Sie selber im Krankenhaus landeten.

Ja, ich saß nach dem Kampfabbruch auf dem Schemel, die Ärztin untersuchte mich. Ich konnte nicht sprechen, aber hören. Ich hörte, wie sie sagte: Schnell, er muss ins Krankenhaus, ich fürchte, er hat Gehirnblutungen. Auf dem Weg in die Klinik war ich mir sicher, das war’s, ich sterbe. Nur Stunden später war ich wieder wohlauf. Ich war so etwas wie wiedergeboren. Und trotzdem ist ein Teil von mir an diesem Tag gestorben. Alles Weiche, alles Bubihafte an mir ist damals gestorben. Ich wurde härter, fokussierter, ich wurde der, der ich jetzt bin.

Der, der Chisora eine Abreibung verpassen will.

Ich will nicht nur, ich werde.

Interview: Matthias Kerber

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