Schach im Ring

Wie „Bodybuilder“ Firat Arslan seinen Box-Weltmeister-Titel verteidigen will.
HAMBURG Box-Bulldozer, der Rocky aus Süßen, talentfreie Kampfmaschine, Hau-drauf-und-Schluss – die Namen mit denen Box-Weltmeister Firat Arslan belegt wird, sie strotzen stets vor Kraft und martialischer Härte. Und wer die Muskelberge, die der Deutsch-Türke, der sich in der Bergidylle Söldens auf seine Titelverteidigung am Samstag (23 Uhr, live im ZDF) gegen Guillermo Jones, vorbereitet hat, sieht, dem drängen sich die Assoziationen an einen Bodybuilder nur so auf.
Kein, Wunder, einer seiner Trainer ist Ted Lackner, der ehemalige Coach von Bodybuilding-Ikone Arnold Schwarzenegger. Doch in der harten Schale steckt der berühmte weiche Kern. Arslan ist ein bodenständiger, höflicher, zuvorkommender, intelligenter Kerl. „Seine größte Stärke ist, dass er weiß, was seine Schwächen sind“, sagt Jean-Marcel Nartz, der technische Direktor des ausrichtenden Boxstalls Universum.
Und Schwächen hat er viele. Arslan begann erst mit 18 Jahren überhaupt zu boxen. Viel zu spät eigentlich. „Ich hatte immer wenig Talent, aber Durchsetzungsvermögen und Willen“, sagt Arslan, der am Tag nach dem Fight 38 Jahre alt wird. Er wurde in seiner Karriere meist als Aufbaugegner für bessere Boxer eingesetzt. Doch er schlug sie alle. Mit seiner unglaublichen Kondition, seinem unbeugsamen Willen. Und trotzdem glaubten die Promoter nicht, dass er was reißen könnte. So musste der gelernte Mechaniker, dessen Vater als Ölringer sein Geld verdiente, als Türsteher jobben oder als Kaufhausdetektiv. „Und dabei trainierte er wie ein Besessener, wie ein Berserker. Jeden Tag. „Ich trainiere 365 Tage im Jahr. Und das seit 20 Jahren. Ich habe jeden Trainingstag dokumentiert, damit ich immer weiß, was mir die besten Resultate gebracht hat. Gib niemals auf. Gib Gas, glaube an dich, jeden Tag, dann bekommst du deine Chance“, sagt der ewige Underdog, der es 2007 zum Weltmeister brachte, als er Virgil Hill entthronte. „Sein Eifer, sein Wille sind unglaublich. Ich denke, er hat mehr erreicht als er von seinen Fähigkeiten erreichen kann. Und er ist ein echtes Vorbild, weil er zeigt, was man eben erreichen kann, wenn man es nur richtig will“, sagt Fritz Sdunek, der Vitali Klitschko trainiert.
Und Arslan, den beigeisterten Schachspieler, den mit Abstand besten Spieler im Boxstall, hat dieses Wissen geprägt. Er beschäftigt sich mit Philosophie und hat den indischen Freiheitskämpfer Mahatma Gandhi, der mit seinem unbeugsamen, friedlichen Protest die britische Herrschaft über sein Land untergraben hat, sein Lebensmotto entliehen. „Erst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.“
Sie haben ihn ignoriert, sie haben ihn verlacht und bekämpft, und jetzt – mit 37 Jahren ist Arslan endlich ein Gewinner. Das will er am Samstag wieder zeigen. Der Box-Bulldozer, der Rocky aus Süßen, die Kampfmaschine.
Matthias Kerber