"Saugeil" - und so gut wie nie
Felix Neureuther fährt die Saison seines Lebens. Zwei Wochen vor der WM gilt er im Slalom als Goldkandidat – und schürt Erwartungen
MÜNCHEN „Der Felix”, sagt der Österreicher Marcel Hirscher über seinen deutschen Kumpel Felix Neureuther, „ist ein saugeiler Typ. Ich verstehe mich total gut mit ihm.” Die beiden Kontrahenten im Slalom-Weltcup trainieren mitunter gemeinsam, „und da zeigt er mir schon manchmal, dass man auch noch schneller fahren kann”, sagt Hirscher. Nur im Training? Am Sonntag „erlegte” Neureuther Hirscher beim Klassiker in Wengen „zum ersten Mal in freier Wildbahn”, wie es Alpindirektor Wolfgang Maier scherzhaft ausdrückte – und fuhr zwei Wochen vor der WM endgültig in die Rolle des Medaillenkandidaten.
Nach dem Erfolg am Neujahrstag beim Münchner Parallel-Slalom, den er im Endlauf gegen Hirscher errang, war es der zweite Coup von Neureuther im WM-Winter. Insgesamt fuhr er fünf Mal aufs Podium, erstmals auch im Riesenslalom – so gut war Neureuther noch nie.
Die plötzliche Blüte im reifen Sportleralter von bald 29 Jahren ist aber nur für Außenstehende ein Rätsel. Neureuther nennt das „extrem gute Trainerteam”, die „unglaublich gute Stimmung in der Mannschaft”, die Fitness und das Material als Ursachen.
Maier aber hat noch weitere, gewichtige Gründe ausgemacht. „Felix fährt wesentlich stabiler”, sagt er: „Das Problem war immer, dass er ein sehr guter Skifahrer war, aber x-mal ausgefallen ist, weil er die Körperbeherrschung nicht konstant hatte.” Er habe seine Technik an die neuen Ski angepasst – nicht umgekehrt, sagt Neureuther: „Das ist ein Schlüssel für die guten Ergebnisse.” Und: Neureuther hilft die vor allem durch Fritz Dopfer, aber auch durch Stefan Luitz erstarkte Konkurrenz im eigenen Team. „Ich kann es manchmal kaum fassen, wie die Mannschaft sich pusht”, sagt Maier, speziell Dopfer sei „das Beste, was dem Felix passieren konnte”.
Sieben Mal standen die DSV-Rennläufer in diesem Winter schon auf dem Podium – einmal häufiger als die erfolgsverwöhnteren Frauen.
Was Neureuther angeht, so hat der Partenkirchner bei sich auch einen Wandel im Persönlichen ausgemacht. „Die Vergangenheit hat mich als Sportler und Mensch sehr stark geprägt, ich habe viel gelernt, bin reifer geworden”, sagt er. Vor allem die Heim-WM 2011, bei der er unter dem (eigenen) Erwartungsdruck zerbrach, habe ihn verändert.
Jetzt, sagt Neureuther, „kann ich es das erste Mal in meinem Leben richtig genießen”. Das soll auch für die WM in Schladming gelten.
„Er ist ein Mann für den absoluten Erfolg”, sagt Maier. Aber: „Er muss überhaupt keine Medaille gewinnen, er soll Spaß an seinem Sport haben.” Denn immer, wenn die Erwartungen vor Großereignissen hoch waren, hat Neureuther sie enttäuscht. 2007 war er in Garmisch beim letzten Slalom vor der WM Zweiter, so gut wie nie zuvor. In Are war er dann Zweiter nach dem ersten Lauf – und schied im Finale aus. 2010 gewann er kurz vor Olympia den Slalom-Klassiker von Kitzbühel. In Whistler: Aus im ersten Lauf. Dann das Fiasko 2011.
„Ich bin eher einer, der bodenständig denkt, lieber tief stapelt – und dann einen raushaut”, sagt Neureuther. Das soll am kommenden Sonntag für den Slalom in Kitzbühel gelten – und dann für die WM.
Neureuther sagt: „Wenn ich meine Leistung bringe, dann weiß ich, dass ich schwer zu schlagen bin.”
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